Die schottische Musikproduzentin und Sängerin Sophie warf auf schönste Weise die Frage auf, wer heute, im Zeitalter von Spotify und Social Media, als Popstar gelten darf. Viele über 35 behaupten, noch nie von ihr gehört zu haben, viele Jüngere haben am Samstag eine ihrer Ikonen verloren.
Sophie Xeon wurde 1986 in Glasgow mit männlichem Vornamen und einem anderen Familiennamen geboren, als Musikerin nannte sie sich SOPHIE. Ihr Album "Oil of Every Pearl's Un-Insides" aus dem Jahr 2018 war für einen Grammy in der Kategorie "Best Dance/Electronic Album" nominiert. "It's Okay To Cry", der Hit des Albums, ist eine himmlisch melancholische Power-Ballade, gegossen in kühlen, flüssigen Computer-Sound. Er reiht sich nahtlos ein in die lange Reihe großer Regen/Tränen-Songs in der Pop-Geschichte, von Ann Peebles' "I Can't Stand The Rain" über Kate Bushs "Cloudbusting".
Ein Songwriting, an dem die Widersprüche zerren
Sophie arbeitete mit Madonna und Nicki Minaj zusammen (am Song "Bitch I'm Madonna"), kollaborierte mit Stars wie Charli XCX, Vince Staples und Kim Petras. Sie verband eine fluide Gender-Präsentation mit einem bildhübschen Gesicht, mit akribischer Sound-Arbeit und einem Songwriting, an dem die Widersprüche zerren: störrisch-harte Grooves, konstruiert aus digitalen Knallgeräuschen, darüber zarteste Kaugummi-Melodien. Man wird noch Jahre brauchen, um dieses Werk ganz zu verstehen.
Der Mensch Sophie ist aber bestürzenderweise schon Geschichte: Sie fiel nach Angaben ihres Labels am frühen Samstagmorgen in Athen in den Tod, als sie, um den Vollmond besser betrachten zu können, emporkletterte und ausrutschte. Sie wurde 34 Jahre alt.