Literatur:Das Leben des Pierre D.

Sophie Calle, Adressbuch zur Verwendung für die Rezension.

Sophie Calle schreibt mehrfach selbst, Schuld- oder Schamgefühle würden sie umtreiben, wischt das aber jedes Mal sofort wieder weg: Das Experiment sei einfach zu spannend.

(Foto: Sophie Calle)

Die Künstlerin Sophie Calle findet in Paris ein Adressbuch. Sie ruft die Kontakte an und lässt sich über den Besitzer erzählen. Es entsteht das Bild eines Menschen durch die Augen seiner Freunde.

Von Alex Rühle

Anfang Dezember 2008 veröffentlichte das französische Magazin Le Tigre einen Text, der als "Google-Porträt" überschrieben war und in dem ein Architekt aus Nantes, den es tatsächlich gibt, direkt angesprochen wurde. Das Magazin erschien an dem Tag, an dem der Mann Geburtstag hatte und begann, als schreibe Big Brother einen Brief: "Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Jules! Wir dürfen doch Jules sagen, oder? Du kennst uns zwar nicht, aber wir wissen extrem viel über dich." Daran schloss sich ein nahezu lückenloses Porträt dieses Mannes. Aus Texten und Fotos, die er auf Portalen wie Facebook und Flickr gepostet hatte, konnte sein Musikgeschmack genauso beschrieben werden wie seine Hobbys und Reisen, sein Tätigkeitsbereich in einem Architekturbüro in der Umgebung von Nantes sowie viele Details über sein Intimleben. Der Mann war geschockt, wollte das Magazin zunächst verklagen, merkte dann aber, dass er damit wenig Erfolg haben werde - schließlich hatte er all das selbst geteilt.

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