Sofia Coppola:"Etwas sehr Verstörendes"

Sofia Coppola

Sofia Coppola beim Filmfestival von Venedig 2010 - immer auf Distanz.

(Foto: Getty Images)

Sofia Coppola ist ein Kind der Traumfabrik Hollywood und macht Filme über die übertriebene Sucht nach Öffentlichkeit. Sie selbst ist dabei leise, freundlich - und immer auf Distanz. Eine Begegnung mit der Regisseurin von "The Bling Ring".

Von Susan Vahabzadeh

Wenn man Sofia Coppola begegnet, ist zumindest eines sofort klar: Mit den Protagonisten ihres neuen Films "The Bling Ring" hat sie keinerlei Ähnlichkeit. Die Clique im Film, das sind Kids aus Los Angeles, denen es vor allem um Selbstinszenierung geht - sie wollen unbedingt berühmt sein, mit allem, von dem sie glauben, dass es dazu gehört, Fotos im Internet, Handtaschen zum Preis eines Kleinwagens, einer Aura von Coolness. Sofia Coppola wirkt klein und zart und leise, freundlich, aber fast ein wenig unsicher, und das mit der Selbstinszenierung - das scheint so gar nicht ihr Ding zu sein. Keine großen Sprüche, eigentlich sagt sie über ihren Film, seit er in Cannes lief, immer wieder dasselbe - mit wenig Meinungsfreude. Irgendwie ist es schon klar, dass ihr der Lebensstil der Bling-Ring-Kids, die es tatsächlich gegeben hat und die von Berühmtheiten besessen genug waren, um in ihre Häuser einzubrechen und sie auszurauben, unendlich fern sein muss - sie würde aber nicht so weit gehen, das auch in aller Klarheit zu sagen.

Sofia Coppola, Tochter des legendären "Pate"-Regisseurs Francis Ford Coppola, ist selbst im weitesten Sinne ein Kind der Traumfabrik - aufgewachsen ist sie weitab von Hollywood, aber eben im Umfeld von Ruhm und Reichtum; und vielleicht kommt es ihr anmaßend vor, den fünf echten Promi-Räubern, die ihr als Vorlage für die Figuren in "The Bling Ring" dienten, ihre Prioritäten vorzuwerfen. Coppola lebt selbst in New York, und das Arsenal aufgeblasener Gesten und Phrasen, mit denen ihre Kollegen aus Los Angeles auch noch eine Klamotte bewerben würden, hat sie nicht drauf. Nach einer Reihe von beruflichen Umwegen hat sie 1999, mit "The Virgin Suicides" ihren ersten Film gedreht, eine Romanverfilmung zwar, nach Jeffrey Eugenides, aber doch ihr Drehbuch; der zweite Film, "Lost in Translation", kam 2003 heraus, für den bekam sie einen Drehbuch-Oscar und war, als dritte Frau überhaupt, für einen Regie-Oscar nominiert. "The Bling Ring" ist nun der fünfte Film in 14 Jahren, und eigentlich ist das für einen Filmemacher, der selbst auch Autor seiner Drehbücher ist, eine ziemlich hohe Frequenz. Es bedeutet: Jedes Projekt kommt durch, aus welchen Gründen auch immer.

Warum sie, zum zweiten Mal hintereinander, einen Film in Los Angeles gedreht hat? Eher Zufall. "Paris Hiltons Haus, das ist für mich eine sehr fremde Welt, exotisch", sagt Coppola - sie hat tatsächlich im echten Paris-Hilton-Ankleidezimmer gedreht, die High-School-Räuber haben sich dort mit Schuhen, Schmuck und Klamotten bedient. Was wirklich passiert ist, mehrfach, denn die Eigentümerin hatte wohl so weit den Überblick über ihr Hab und Gut verloren, dass sie davon nicht einmal etwas bemerkt hat.

Wie es dazu kam, dass sie den realen Fall aufgriff? "Ich hab einen Artikel darüber im Flugzeug gelesen, und dachte, das müsste jemand verfilmen - aber nicht unbedingt ich. Ich fand, dass etwas sehr Verstörendes über den Zustand unserer Kultur in dieser Geschichte steckt."

Aber die Geschichte ließ sie dann nicht los. "Die Herausforderung beim Schreiben des Drehbuchs war für mich: Das sind unsympathische Charaktere, wie mache ich einen Film über sie?", sagt Sofia Coppola. "Das war das erste Mal, dass ich mich keiner Figur von vorne herein verbunden gefühlt habe. Ich habe mich dann auf den Jungen in der Bande konzentriert - ich fand ihn seltsam und doch irgendwie rührend, das war dann für mich der Ausgangspunkt. Irgendwas Sympathisches muss man an seinen Figuren finden - es funktioniert nicht, wenn man sie einfach verurteilt." Immerhin muss man es als Zuschauer ja mit diesen Figuren zwei Stunden lang aushalten.

Die Schauspieler, für die sich Sofia Coppola entschied, sind selbst keine Stars - bis auf Emma Watson, die Hermine aus den Harry-Potter-Filmen, Engländerin, die die Regisseurin erst einmal überzeugen musste, dass sie einen modeverrückten durchgedrehten Angelino überhaupt spielen kann: "Sie wollte sich so unbedingt in dieses Mädchen verwandeln, mit dem sie absolut gar nichts gemein hat."

Mit den echten Menschen, die mit diesem Fall zu tun hatten, hat sich Sofia Coppola für ihr Drehbuch fast nur aus zweiter Hand befasst, über sie gelesen. Für die Figur der Mutter zweier beteiligter Mädchen - Leslie Mann spielt sie im Film -, die dem putzsüchtigen Promi-Wahn der Kinder so eine Art theoretischen Überbau liefert, eine Mischung aus Selbstverbesserungs-Philosophie und Klatschmagazin-Styling, hat sich Coppola von der Selbstinszenierung einer der echten Mütter in einer Fernseh-Show inspirieren lassen. "Ich habe nur zwei von ihnen getroffen. Eins der Mädchen hatte eine Reality-TV-Show, die habe ich mir angesehen." Und warum diese Methode? Um ihnen nicht allzu nahezukommen, sich ihnen nicht verpflichtet zu fühlen? Sofia Coppola überlegt, fängt zwei Sätze an und sagt dann beim dritten Versuch: "Ja, ich wollte ihnen wohl nicht zu nahe- kommen." Man weiß nicht so recht, ob es für sie schwierig ist darüber zu reden - oder ob sie sich tatsächlich nur instinktiv von den echten Kids ferngehalten hat.

Der Film hatte seine Premiere auf dem Festival in Cannes, wo er allerdings nicht im Wettbewerb lief, sondern die Nebenreihe Un certain regard eröffnete - das Festival ist ein gutes Beispiel dafür, wie das, was auf den Leinwänden läuft, die Filme, immer weiter aus dem Fokus gerät und es immer mehr darum geht, wer auf dem roten Teppich am längsten pirouettiert. Hat die Besessenheit vom Ruhm etwas mit dem Kino zu tun? Ist es nicht so, dass es der Teil des Kinos, der nicht klatschspaltentauglich ist, immer schwerer hat? Das ist nicht Sofia Coppolas Problem. "Wir leben in einer von der Boulevardpresse geprägten Kultur", sagt sie. Oder: "Natürlich macht man als Frau Filme mit einem weiblichen Blick." Viel mehr ist nicht zu holen. Das ist natürlich irgendwie unbefriedigend - aber andererseits: Wenn sie schon Filme macht über die übertriebene Sucht nach Öffentlichkeit, dann darf sie sich ihr auch entziehen.

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