Süddeutsche Zeitung

Skulptur vor der Frauenkirche:Dresden setzt ein mutiges Zeichen

Die Bus-Skulptur vor der Frauenkirche ist ein brachialer Bruch mit der barocken Altstadt - und mit der Art, wie Dresden mit seiner Vergangenheit umgeht. Gut so. Es ist Zeit, sich der Realität zu stellen.

Kommentar von Antonie Rietzschel

Böse Zungen behaupten, die Dresdner hätten Barockstaub im Gehirn. Uwe Tellkamp beschreibt dieses Phänomen in seinem Mehrgenerationen-Roman "Der Turm": Da wälzen die Dresdner im Wohnzimmer alte Fotobände, die das Schloss und die Frauenkirche voller Schönheit zeigen. Während draußen Industrieschlote die Luft verpesten und auf der Ruine der Frauenkirche Unkraut wächst.

Nach der Wende wurde die völlig zerstörte Dresdner Altstadt komplett wieder aufgebaut. Auf einer struppigen Wiese entstanden Neubauten, die so aussahen wie in den schönen Bildbänden. Und die Frauenkirche selbst steht heute makellos runderneuert in deren Mitte.

Der Anblick lässt sogar Kritiker, die über das "Disneyland" von Dresden spotten, verstummen. Jetzt ist das Postkartenmotiv verstellt, durch das Werk des deutsch-syrischen Künstlers Manaf Halbouni. Auf den Kopf gestellte, ausrangierte deutsche Linienbusse versperren den Blick. Bewohner der Stadt Aleppo haben sich mithilfe solch einer Barrikade aus Linienbussen vor Scharfschützen geschützt. Dass Dresden nun genau hier genau diese Skulptur aufstellen ließ, ist ein mutiges Zeichen für eine Stadt, die als Geburtsort von Pegida - einer unter anderem offen islam- und fremdenfeindlichen Organisation - international bekannt geworden ist. Diesem Zeichen gebührt Respekt.

Der Bevölkerung wird damit die Hässlichkeit zugemutet, die sie nicht gerne duldet. Viel wichtiger ist jedoch die Symbolhaftigkeit: Die Barrikade gibt der Frauenkirche auch ihre eigene Bedeutung zurück. Denn abseits vom Kitsch ist der Platz doch vor allem ein Ort des Gedenkens und der Versöhnung. Die schwarzen Steinblöcke im Mauerwerk erinnern an den Originalbau, wo sie an denselben Stellen verbaut waren. Das Kreuz auf dem Turm stammt von einem Schmied, dessen Vater in der Nacht des 13. Februar 1945 eines der alliierten Flugzeuge flog. Das alte Turmkreuz ist im Inneren der Kirche ausgestellt - grotesk verdreht durch die Hitze des Feuersturms, der in der Stadt wütete. Auf dem Altar steht ein einfaches Kreuz aus zwei Nägeln. Sie stammen aus der Kathedrale von Coventry, die 1940 von deutschen Bombern zerstört wurde.

Dresden hat es sich immer schwer gemacht mit dem Gedenken an den 13. Februar. Über die Jahre entstand ein Mythos, der erst von den Nationalsozialisten und später von der DDR-Führung beschworen wurde: Die hohe, auf bis zu 25 000 geschätzte Zahl der Opfer und das Ausmaß des Leids würden das bombardierte Dresden von anderen Kriegszielen unterscheiden. Die Konzentration auf die Opferrolle verhinderte lange Zeit, dass Dresden und die Dresdner sich mit der eigenen Schuld und der Rolle der Stadt im Nationalsozialismus auseinandersetzten.

Stattdessen missbrauchten Rechtsextreme das Datum. Nach der Wende war die Stadt Anziehungspunkt für Tausende Neonazis aus ganz Europa. Aufregung in der Bevölkerung gab es aber vor allem über die Linken, die sich als einziger Widerstand formierten. Erst in den vergangenen Jahren gab es ein Umdenken: In der Stadt wuchs die Bereitschaft, sich sowohl mit der schwierigen Vergangenheit als auch mit der problematischen Gegenwart auseinanderzusetzen. Und gegen den Missbrauch des Gedenkens durch Rechtsextreme zu positionieren. Dresdner blockierten zuletzt erfolgreich die Neonaziaufmärsche. Die Stadt selbst rief dazu auf, Menschenketten zu bilden.

Der Jahrestag der Bombardierung steht kurz bevor. Und dass Dresden die Busse, dieses so radikale und ja, auch wenig subtile, Stück Kunst aufstellt, zeigt ein radikales Umdenken der Stadtoberen beim Gedenken der Bombennacht. Oberbürgermeister Dirk Hilbert zwingt die Dresdner, sich nicht der Realität zu verweigern. Sich also nicht zu verhalten, wie es einzelne Figuren in Tellkamps Roman tun. Sie sollen beim Gang durch die Altstadt an die Konflikte und das Leid in der Welt erinnert werden.

Wenn sie dabei zu dem Schluss kommen, dass Halbounis Skulptur hässlich ist, dass sie sich brutal mit der Umgebung bricht, wäre das eine treffende Beschreibung. Schließlich ist ihr Gegenstand hässlich. Krieg ist hässlich. In Syrien fordert er Hunderttausende Menschenleben. Wer die Busse sieht, wer erspürt, wie sie sich zum Himmel recken, der spürt aber vielleicht auch noch etwas anderes: Hoffnung. Die Hoffnung, dass Städte wie Aleppo irgendwann wieder aufgebaut werden. So wie einst Dresden.

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