Skandal um Pete Doherty:Deutschlandlied macht On3 bekannt

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Ein Skandal um den britischen Rockmusiker Doherty macht den BR-Online-Sender On3 bekannt - und schädigt dessen Image.

Christina Maria Berr

Oft passiert das nicht: Die kleine digitale Jugendwelle On3, sonst nur im Internet, darf knappe zwei Stunden lang über die Frequenz des Hörfunk-Flagschiffs des Bayerischen Rundfunks präsent sein. In einer "Zündfunk"-Sondersendung auf Bayern 2 verbreiteten die Macher ihr Programm - am vorigen Samstag von 22 Uhr an. Der Anlass war das On3-Festival, bei dem bekannte Musiker mit Newcomern auftreten.

Spontanauftritt mit Folgen: Pete Doherty auf dem On3-Festival (Foto: Foto: ddp)

Ein großer Moment für On3, möchte man meinen. Und dann das: Der englische Rockmusiker Pete Doherty, bekannt für Skandälchen und Skandale, singt auf seinem Live-Auftritt die erste, von Nazis für Propagandazwecke missbrauchte Strophe der Nationalhymne: "Deutschland, Deutschland u-ber alles".

Vier Mal gibt der Brite diese Passage wieder. Die Melodie trifft er dabei nicht wirklich. Das Publikum buht sofort, es gibt "Raus"-Rufe, eine Minute dauert das, dann bricht der 30-jährige Sänger der Band Babyshambles kurz ab.

Den Moment nutzt Moderator Daniel Köhler, um - endlich - das Geschehene live zu kommentieren: "Ihr seid Zeuge, wie sich Peter Doherty vielleicht um Kopf und Kragen singt". Und: "Wir warten mal ab, was er jetzt noch vorhat." Dann ordnet der Moderator das Gesungene ein als "textlichen Baustein der ehemaligen deutschen Nationalhymne, die wir nicht so mögen". In der Tat wird die Strophe nicht mehr benutzt, verboten ist sie allerdings auch nicht.

PR-Gag oder Imageschaden?

Doch Radiomann Köhler entdeckt in Dohertys Ausfälligkeiten offenbar auch Werbepotential. Er verweist auf den Video-Live-Stream des Senders im Netz: "Freunde, das könnte spannend werden." Erst nach weiteren fünf Liedern wird der Sänger von der Bühne komplimentiert. Viel zu lange, meinen einige in einem On3-Blog, andere freuen sich über die Aufmerksamkeit für die Jugendwelle.

Und tatsächlich, der Auftritt bringt den bis dato eher unbekannten Digitalfunk in die Schlagzeilen. "Es ist ein PR-Gewinn, weil die komplette Presse den Sender endlich mal vorstellt", sagt BR-Sprecher Rudi Küffner. Ein Imagegewinn dürfte es jedoch nicht sein. Das räumt auch Rainer Tief ein. Der BR-Programmchef für Multimedia und Jugend sagt: "Imagefördernd ist das mit Sicherheit nicht." Doch Konsequenzen innerhalb des BR werde es aber nicht geben.

Auch On3-Chefin Ulrike Ebenbeck, die den Auftritt von Doherty entschieden und zu verantworten hat, wird von Manager Tief in Schutz genommen. Sie habe schnell reagieren müssen - und ihre Entscheidung sei "kein schwerer Fehler gewesen". Das Management des Sängers habe den BR durch zeitliche Vorgaben unter Druck gesetzt und - "now or never" - eine Entscheidung verlangt. Doch On3 sei "eher für gute Recherche, journalistische Arbeit und Musikkompetenz als für Skandale bekannt", so Tief weiter.

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Das dürfte sich zumindest bei den BR2-Hörern anders darstellen. On3-Chefin Ebenbeck erklärt, sie würden gerade überprüfen, was man hätte anders machen können. Aber: "Der Moderator hat richtig reagiert." Und als Konsequenz ein Hausverbot für bestimmte Künstler auszusprechen, das wäre fatal. So möchte sie auch nicht ausschließen, dass Doherty wieder bei On3 auftreten darf.

Zu der spontanen Einladung für Doherty, den langjährigen Begleiter von Kate Moss, kam es, weil eine On3-Mitarbeiterin den Sänger, der wegen eines anderen Auftritts in der Stadt war, auf einem Weihnachtsmarkt getroffen hätte, erklärt Tief. Als der Rockkünstler dann im Funkhaus eintraf, sei man "mit dem Zustand Dohertys nicht rundum glücklich gewesen". Dass nun alle über den Skandal-Auftritt sprechen und nicht über die Nachwuchsbands, so der Programmchef, sei natürlich nicht schön.

Doch einen Imageschaden innerhalb und außerhalb des BR hat On3 nicht zu befürchten. Die Moderatoren hätten sich schließlich einwandfrei verhalten: "Wir haben sofort eingegriffen und uns klar distanziert."

Das kann man auch anders sehen. 60 Sekunden sind eine beträchtliche Zeit im Radio. Zudem durfte der Sänger ja weiter auf der Bühne bleiben.

Am heutigen Montagabend wird ein Zusammenschnitt des Abends im Fernsehen übertragen, der Auftritt von Doherty werde auch kurz und kommentiert zu sehen sein, so Tief. Vom Sänger selbst erwartet On3 jetzt eine Entschuldigung, erklärt Rainer Tief noch, entschuldigt ihn doch gleich wieder: Diese könne noch gar nicht beim BR eingegangen sein, der Mann sei ja unterwegs.

Der Fall ist auch schon in der Politik angekommen. Das Singen der ersten Strophe des Deutschlandliedes sei, so der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU), politisch "nicht vertretbar". Der Grünen-Landtagsabgeordnete und BR-Rundfunkrat Ludwig Hartmann freut sich über die Reaktion des Publikums, die den Sänger ausgebuht hatten. Zugleich forderte er die Verantwortlichen auf, künftig gerade "bekannte Krawallsänger" wie Doherty vor einem Auftritt genau unter die Lupe zu nehmen.

Zur Not müsste wohl ein Alkoholtest gemacht werden.

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