Sizilien:Fünf Sorten Eis

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Ein Landhaus an der Südküste Siziliens bedient die Sehnsucht nach der guten alten Zeit. Die Besitzerin profitiert von der Landlust der Urlauber in mehrfacher Hinsicht.

Von Stefan Fischer

Längst ist Simonetta Agnello Hornby das Oberhaupt auf Mosè, gemeinsam mit ihrer Schwester Chiara. Das mehr als 200 Jahre alte Landgut an der Südküste Siziliens, im Umland von Agrigent, ist seit fünf Generationen im Besitz der Familie. Und es war, soweit man das weiß, immer ein gastfreundliches Anwesen. Seit zwei Jahrzehnten steht die Fattoria Mosè nun schon Fremden offen, als "agriturismo biologico". Urlaub auf einem ökologisch bewirtschafteten Hof also, in seiner sizilianischen Variante.

Eine Generation zuvor war Mosè noch kein touristischer Betrieb, es war das Sommerquartier der Agnellos, die winters in Agrigent lebten und dort ihren Geschäften nachgingen. Hier auf dem Land traf sich im Juni, Juli und August die Großfamilie, Freunde und Bekannte kamen für einen Nachmittag oder auch für eine ganze Woche. Simonetta war damals, in den 1950er-Jahren, ein Mädchen; in "Ein Hauch Olivenöl" erzählt sie von diesen Sommern ihrer Kindheit.

Über die richtige Zubereitung des Tomatensugos hat die Familie abendelang debattiert

Die Agnellos sind eine adelige Familie, um deren Reichtum es nach dem Zweiten Weltkrieg aber nicht mehr allzu gut bestellt war. "Die Ebbe in der Haushaltskasse war deutlich spürbar", schreibt Agnello Hornby über den Sommer 1957. Sie hatten ein wenig Personal, das sich um das Haus und die Landwirtschaft gekümmert hat, das schon. Aber sie mussten (und wollten auch) selbst mit anpacken - beim Kochen und Backen, beim Ernten und Einwecken. Als etwa Caterina gekündigt hatte, die treue Köchin, um sich zu verheiraten, wurde sie nicht ersetzt; die Einkünfte aus der Korn-, Wein- und Baumwollernte waren offenbar nicht groß genug. Fortan kümmerte sich stattdessen Simonettas und Chiaras Mutter mithilfe des übrigen Dienstpersonals ums Kochen. In dieser Zeit, auch weil die Großmutter nicht mehr mitkam, ging etwas verloren, was das Leben auf Mosè die Jahre zuvor strukturiert hatte: die klare Hierarchie vor allem unter den Frauen. Wer buk und kochte, wer Süßspeisen zubereitete und wer Sorbets, das war klar geregelt. Und niemand traute sich, in fremde Herrschaftsbereiche hineinzuregieren.

Es sind, nichts desto trotz, glückliche Sommer voller Spiele und kleiner Abenteuer. Den Speiseplan bestimmen die selbst angebauten und geernteten Gemüse und Früchte der Saison, nur wenig wurde zugekauft. Das sorgte mitunter für eine gewissen Eintönigkeit, wenn gerade nur die Zucchini reif waren oder die Auberginen. Auf der anderen Seite gibt es jedoch "unendlich viele Arten", Tomatensugo zuzubereiten. Aber welche die beste wäre, darauf konnte sich die Familie nie einigen. Ob nun mit oder ohne Knoblauch, und wenn ja: die ganzen Zehen oder fein gehackt; oder doch stattdessen mit Zwiebeln, und dann besser mit den weißen, süßen oder lieber mit den roten, kräftigen - darüber wurde abendelang debattiert.

Das Leben, das die Agnellos in dieser Zeit auf Mosè führten, hat sich als Sehnsucht erhalten. Bei Simonetta Agnello Hornby, die zwar als Anwältin in London arbeitet, aber Mosè nie aufgegeben hat und die als Autorin immer wieder das Sizilien ihrer Kindheit thematisiert, sei es in dem Roman "Die Mandelpflückerin" oder nun in ihrer Familiengeschichte "Ein Hauch Olivenöl". Und diese Sehnsucht lebt auch in den Urlaubern, die Anwesen wie dieses ansteuern, in ihrer ausgeprägten Landlust, mit der Bilder einer Idylle, einer guten alten Zeit verknüpft sind. In der es noch familiären Zusammenhalt gegeben hat und in der Lebensmittel noch nicht von einer Industrie bereitgestellt worden sind. Vielmehr fuhr Simonettas Vater mit dem Auto 15 Kilometer nach Porto Empedocle, um in einer Konditorei pezzi duri zu kaufen, eine Art Trüffeleis. Es gab fünf Sorten, erinnert sich Agnello Hornby noch heute: Schokolade, Haselnuss, Torrone, Caffè und Pistazie.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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