Simonis vs "Bild":Shopping mit Folgen

"Wiederholt und exzessiv": Warum Heide Simonis den Prozess gegen die Bild-Zeitung verliert.

Helmut Kerscher

Die frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis hat einen Prozess gegen die Bild-Zeitung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) vollständig verloren. In einem Prozess um Fotos nach ihrem Abschied vom Amt im Jahr 2005 entschied der BGH, es habe sich um "Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte" gehandelt. Diese hätten wegen des gesteigerten Informationsinteresses der Öffentlichkeit auch ohne die Einwilligung von Simonis veröffentlicht werden dürfen.

Simonis vs "Bild": Kummer in Kiel: Nach ihrem spektakulären Abschied als Ministerpräsidentin und dem Ärger um Unicef muss Heide Simonis nun eine weitere Niederlage einstecken - gegen die "Bild"-Zeitung.

Kummer in Kiel: Nach ihrem spektakulären Abschied als Ministerpräsidentin und dem Ärger um Unicef muss Heide Simonis nun eine weitere Niederlage einstecken - gegen die "Bild"-Zeitung.

(Foto: Archiv-Foto: Reuters)

Das gelte jedenfalls für Bilder "in unverfänglichen Situationen in einem frequentierten Einkaufszentrum" am Tag ihres Amtsverlusts. Wegen der spektakulären Umstände der Ablösung nach zwölfjähriger Amtszeit sei ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit anzuerkennen. Ein Politiker könne sich in einer solchen Situation der Presse nicht ohne Weiteres unter Berufung auf seine Privatheit entziehen.

Zugleich fällte der BGH ein Grundsatzurteil "von großer praktischer Tragweite" (Richterin Gerda Müller) zum Zugriff Betroffener auf Pressearchive. Ein solcher "Vernichtungs- oder Herausgabeanspruch" sei ein so schwerer Eingriff in das Recht der Presse, dass er nur ausnahmsweise gewährt werden könne. Der BGH nannte als Beispiele Fotos aus der Intimsphäre oder rechtswidrig hergestellte oder erlangte Fotos.

Im Fall Simonis habe es keinen Auskunftsanspruch gegeben. Er habe sich auf Bilder gerichtet, die zwar erst am Tag nach dem Amtsverlust gemacht worden seien. Auch an diesem Tag habe aber noch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit fortbestanden, so dass dem Persönlichkeitsschutz von Frau Simonis kein Vorrang zugekommen sei.

Der Prozess geht auf den unfreiwilligen Abschied der heute 64-jährigen Heide Simonis aus der Politik zurück. Die erste und bisher einzige Ministerpräsidentin Deutschlands war im März 2005 nach knapp zwölfjähriger Amtszeit vom Landtag nicht wiedergewählt worden, weil ihr eine Stimme aus dem eigenen Lager fehlte.

Nach dem "Waterloo an der Waterkant" kam es zu einer großen Koalition unter Führung von Peter Harry Carstensen (CDU), der am 27. April zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. "Danach ging Heide erst mal schoppen", hieß es dazu in der Bild-Zeitung. Der Text wurde mit Fotos aus dem Einkaufszentrum "Sophienhof" in Kiel illustriert. Gegen die Veröffentlichung dieser Bilder klagte Simonis auf Unterlassung. Sie verlangte auch Auskunft über am Tag danach entstandene, nicht publizierte Fotos.

Vor dem BGH schilderte Anwalt Joachim Kummer das Zustandekommen der Fotos. Simonis sei bis gegen Mitternacht von Fotografen ständig observiert und abgelichtet worden. Die Presse solle zwar ein Wachhund, aber kein Jagdhund sein. Simonis habe einen Anspruch darauf, die von ihr am Folgetag gemachten Fotos zu kennen.

Demgegenüber sagte Bild-Anwalt Thomas von Plehwe, ein solcher Anspruch würde in den Kernbereich der Pressefreiheit eingreifen. Was den Tag des Abschieds angehe, so habe es sich um einen "zeitgeschichtlichen Augenblick" gehandelt. Simonis habe früher "wiederholt und exzessiv" Einblicke in ihr Privatleben gewährt und sich auch beim Einkaufen fotografieren lassen.

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