Sigmund Jähn:Der Sternenfahrer

Stolz, ideologische Unklarheiten und viel Post: Eine Erinnerung an den verstorbenen Kosmonauten Sigmund Jähn.

Gastbeitrag von Lutz Seiler

Jähn schien in seiner freundlichen Bescheidenheit ein würdiger Nachfolger Gagarins zu sein. Dazu der wunderbare Klang seines Heimatortes Morgenröthe-Rautenkranz in Sachsen.

Probleme gab es eher an anderer Stelle. Neben allem Stolz auf Sigmund Jähn traten mit seiner Raumfahrt einige ideologische Unklarheiten zutage. Wenn gesagt werden durfte, Sigmund Jähn sei "der erste Deutsche im Weltall" gewesen, wie sollte man dann die Differenz zum Westen demonstrieren, ohne sich lächerlich zu machen? Antwort gab schließlich ein Plakat mit der Losung "Sigmund Jähn - einer von uns!" Im propagandistischen Überschwang, so schien es, hatte man den gesamten Osten mit diesem Slogan getüncht. Damals, auf dem Weg zu meiner Berufsschule in Gera, sah ich, dass eine ganze Friedhofsmauer mit dem Sternenfahrer verklebt worden war.

An gleicher Stelle hatte man früher auch schon das Plakat mit der roten Nelke und dem Aufruf "Heraus zum 1. Mai!" gelesen und gefragt, was die Toten wohl davon hielten im Falle des Falles. Auch mit dem Jähn-Plakat war man mehr als bedenkenlos umgegangen, es hieß, auch in den Strafvollzugsanstalten und sogar in den Nervenkliniken sei nun zu lesen: "Sigmund Jähn - einer von uns!". Zuletzt habe ich Jähn im Radio gehört, er erzählte über seinen Alltag, und wie schwer es für ihn sei, allein all die Post zu beantworten, die ihn täglich erreiche. Bis zuletzt erfüllte er gewissenhaft all die Pflichten, die ihm das Los, der erste Deutsche im Weltall gewesen zu sein, auferlegt hatte.

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