Siegeszug der Untertitel:Die eilige Schrift

Untertitel waren mal eine Dienstleistung für wenige. Inzwischen aber kommt keine Kunstform ohne die helfenden Texte aus. Ein Überblick über die Verschriftlichung der Welt - und ihre Missverständnisse.

Von den SZ-Feuilleton-Redakteuren

Fleabag, Season 2

Flirtet mit dem Zuschauer durch Blicke und Untertitel: Phoebe Waller-Bridge in der Amazon-Serie "Fleabag". Nicht immer sagen alle dasselbe.

(Foto: Amazon)

Der Intendant des Hamburger Ohnsorg-Theaters, Michael Lang, findet Untertitel in seinem Haus "nicht sinnvoll". Die in norddeutschem Dialekt gesprochenen Stücke lebten vom Wortwitz: "Die eine Hälfte im Saal lacht, die andere Hälfte muss erst den Text lesen - und kann erst dann lachen." Darum verschmähe er die Titel. Allerdings lacht in seinem Haus darum auch immer nur die Hälfte.

Die Tendenz weist in eine andere Richtung: Darstellende Kunst und Text sind seit je eng verbunden, und sie sind es heute mehr denn je. Der Abschlussbericht der Europäischen Kommission zum Potenzial von Untertiteln beim Erwerb von Fremdsprachen aus dem Jahr 2011 ergibt, dass sie für Lernen und Lernmotivation immens förderlich sind und zudem von der europäischen Bevölkerung auch für sinnvoll erachtet werden. Der Guardian zitierte unlängst eine Studie, nach der nur ein Fünftel der 7,5 Millionen Briten, die mit Untertitelung fernsehen, hörgeschädigt sind. Dieser Aufstieg der Hilfs-Texte ist bemerkenswert.

Die allerersten Untertitel waren gar keine. Die Textzeilen in Stummfilmen wurden zwischen die bewegten Szenen geblendet. Sie sollten Dialoge wiedergeben, Spannung erzeugen, Orts- und Zeitwechsel markieren. Die stoische Ruhe des Textes und das Wimmeln der Bilder gehören seitdem zueinander. Sie waren sogar so eng verbunden, dass man bei der ersten Oscar-Verleihung im Jahr 1929 auch einen für die besten Zwischentitel vergab.

In Deutschland ist das ein wenig in Vergessenheit geraten. Anders als bei vielen europäischen Nachbarn ist in deutschen Kinos oder im Fernsehen die Synchronisation verbreitet, die Originaltonspur wird von einheimischen Sprechern überspielt.

Auch in Deutschland war der Untertitel nie ganz weg. Zuschauer sind Leser, und sie sind es begeistert - das belegen die Texte auf dieser Seite. Die Verschriftlichung des Gezeigten hat als Übertitel Opern- und Theaterbühnen erobert, findet sich in Videospielen, in der bildenden Kunst, sogar in Fußballstadien und in Kirchen. Manchmal sind Unter- oder Übertitel Teil des Werkes. Mehr Subtext war jedenfalls nie.

Im Internet findet man unzählige "*.srt"-Files mit den begehrten Texten, man kann sich noch die entlegensten Serien verschriftlichen lassen. Algorithmen generieren sie angeblich schon in Echtzeit - und irren so oft. Eine mit Bewegtbild befasste Kunstgattung, die auf Untertitelung verzichtet, ist in Zeiten von Streamingdiensten und Globalisierung weder denk- noch vermarktbar. Untertitel werden sogar genutzt, wenn sie redundant sind, wenn sie in derselben Sprache das schreiben, was gesprochen wird. Vielleicht war das gemeint mit dem "Sound of Silence". Bernd Graff

Algorithmenpoesie

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(Foto: Twitter)

Viele Untertitel sind heute computergeneriert. Die Programme haben ähnlich viel Talent, für Erheiterung und Verwirrung zu sorgen, wie maschinelle Übersetzungen. Den Leuten, für die "closed captions" gedacht sind, helfen sie oft nicht weiter - stattdessen bilden sie die Grundlage für ein eigenes Pannen-Genre auf Youtube.

Diese Programme verhören sich nämlich manchmal, und plötzlich steht in den Untertiteln statt "Wasserschaden" "Hasserladen". Zu den prominentesten Pannen gehört jene bei der BBC, als im vergangenen Jahr bei der Liveübertragung der Hochzeit von Prinzessin Eugenie die Moderatorin vom Hochzeitskleid ("What a beautiful dress!") schwärmte, die Untertitel aber die Brüste ("breasts") lobten. Und der amerikanische Late-Night-Talker Stephen Colbert musste sich eines Abends für die Gehörlosentitel der Sendung vom Vortag entschuldigen. In ihr war die legendäre Sklaven-Fluchthelferin Harriet Tubman, selbst in Sklaverei geboren, eigentlich gar nicht vorgekommen. Aber das Untertitel-Programm hatte aus dem Bekenntnis eines Gastes, er habe sich einen Whirlpool gekauft, "hot tub", die Behauptung gemacht, er habe Harriet Tubman erworben. Es gab Zuschauerbeschwerden. Pannen kann es aber auch ohne automatisch generierte Texte geben. Das Schweizer Fernsehen hat vor ein paar Jahren die Untertitel zum Film "Jungfrau (40), männlich, sucht" versehentlich unter eine Sportsendung gelegt - da sah es dann so aus, als unterhielten sich zwei Skifahrer darüber, was "Bumsmäuschen" sind. Susan Vahabzadeh

Computerspiele

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(Foto: Ubisoft)

Der Entwickler Ian Hamilton hat unlängst einen Vortrag über Untertitel in Computerspielen gehalten. Danach spielen gut 60 Prozent der Spieler von "Assassin's Creed: Origins" mit Untertiteln. 95 Prozent der Spieler schalten die Untertitel nicht ab, wenn sie standardmäßig aktiviert sind. "Assassin's Creed" ist eine der erfolgreichsten Computerspielmarken und kann als Maßstab für das Medium gelten: Spieler wollen mit Untertiteln spielen. Ein Grund dafür ist: Viele Menschen spielen heute unterwegs auf dem Handy, in der U-Bahn, wo man den Ton nicht laut schalten kann.

Es gibt aber noch eine weitere Herausforderung für Untertitel, die es in anderen Medien nicht gibt. Zunehmend wird wichtig, dass der Bildschirmtext in komplexen Spielen nicht nur wiedergibt, was gesagt wird, sondern auch, was außerhalb des Bildschirms passiert und nur gehört werden könnte. So gibt es in manchen Spielen auch Untertitel für Geräusche mit einem Pfeil, der in die Richtung der Quelle zeigt. Untertitel müssen in Computerspielen zunehmend nicht nur gesprochene Sprache, sondern die ganze Geräuschkulisse in einem virtuellen Raum abbilden. Nicolas Freund

Kunst

A Tank Translated, 2002

Omar Fast:" A Tank Translated", 2002.

(Foto: Omer Fast)

Die Besatzung eines Panzers besteht aus vier Soldaten. Omer Fast hat sie für seine Installation "A Tank Translated" einzeln aufgenommen und die vier Monitore der Installation so angeordnet, dass sie der Sitzordnung im Fahrzeug entsprechen.

Die jungen Israelis haben gerade ihren Militärdienst absolviert, drei Jahre. Sie sprechen über ihre Erfahrungen, darüber, wie es ist, in einem Panzer durch das eigene Land zu fahren. Die Untertitel schnurren dazu durch, schon weil Hebräisch eine schnelle Sprache ist. Dann scheinen sich die Wörter selbständig zu machen: "You don't look at it like it's dangerous", heißt es zunächst, doch blitzt in der Feststellung "Man sieht es nicht als etwas Gefährliches an" anstelle des Wortes "Gefährliches" das Wort "Dokumentarisches" auf. Militärische Ausdrücke verwandeln sich in Zivilsprache, Aussagen werden in ihr Gegenteil verkehrt. Wobei die meisten Veränderungen nicht so sehr auf das Militärische oder Politische zielen, sondern auf Fragen der Zeugenschaft, der Medien - der Verwandlung von Ereignissen in Tagesgeschichte. Beispielsweise wenn sich die Feststellung "Der Typ über dir sagt dir, was du siehst" in den Satz "Der Nachrichtensprecher sagt dir, was du siehst" verdreht. Während sich in solchen Interviews Wissen und Erinnerungen sonst verfestigen, geht das Geschehene offensichtlich verloren. Sogar die eigenen Fragen werden von Omer Fast re-mixt. Der Künstler hatte zuvor schon die Sätze von Nachrichtensprechern zu fast poetischen Monologen umgeschnitten. "A Tank Translated", die Installation aus dem Jahr 2002, thematisiert schon die Frage nach Manipulationen und Fake News, es bleibt die Erkenntnis, dass in Kriegsgebieten nicht nur Panzerbesatzungen, sondern auch Fernsehcrews antreten. Catrin Lorch

Streaming

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(Foto: HBO)

Streamingdienste und Videoplattformen haben maßgeblich zur Allgegenwart der Untertitel beigetragen. Auf Youtube lässt sich jedes Video mit - meist vogelwilden - automatisch zugespielten Untertiteln ansehen. Praktisch ist das, wenn zum Beispiel beim Kochen die Dunstabzugshaube den Ton des Tablet-Computers neben dem Herd übertönt. Auch bei Netflix lässt sich jeder Inhalt mit Untertiteln versehen. Was besonders beliebt ist: Man kann zur Originalsprache den gleichsprachigen Untertitel dazuschalten, falls das eigene Englisch oder Spanisch doch nicht ganz so gut ist.

Essenziell sind Untertitel natürlich für die Filmfans unter den Streamingabonnenten. Die schauen sich nämlich auch koreanische Kunstfilme und japanische Zeichentrickserien im Original an. Beim Synchronisieren geht ja doch zu viel Schauspielkunst und Atmosphäre verloren. Da aber selbst die härtesten Filmfreaks vermutlich bei manchen, aus europäischer Sicht auch abseitigeren Sprachen kapitulieren müssten, sind Untertitel am unteren Bildschirmrand gerade beim Streaming so etwas wie das Fundament der internationalen Filmverständigung - und dank der Digitalisierung sind sie auch längst in (fast) allen Sprachvarianten verfügbar. Nicolas Freund

Kulte

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(Foto: The Messiah (2007))

Bei ihren Kult- und Ersatzkulthandlungen kommen die Menschen üblicherweise ohne Untertitel aus. Wenn zum Beispiel Fußballfans in gewaltigen Chören ihre Vereine besingen, intonieren sie Liedgut, das über Jahrzehnte tradiert wurde. Genauso funktioniert der Personenkult für kickende Individuen, man denke nur an den Ruf "Ein' Rudi Völler, es gibt nur ein' Rudi Völler". Ihre Texte und Melodien tragen Fußballanbeter zumeist auswendig vor. Putzig ist nun das Bemühen traditionsfreier Vereine um die integrative Kraft gemeinsamen Singens: Klubs wie Hoffenheim blenden dazu den Text des Vereinsliedes auf der Anzeigetafel ein. Braucht Fußballkult solche Untertitel, weht der Friedenstauben-Hauch evangelischer Kirchentage über der Darbietung. Dort gibt es Liedzettel. Die Liturgie der Kirchen ist bislang ohne Untertitel ausgekommen. Bei Trauungs- und Trauergottesdiensten tritt aber ein gravierender Mangel an kultischen Grundkenntnissen zutage. Gerade in solchen Anlassmessen sind Besucher anzutreffen, denen Liturgie fremd ist. Untertitel wären angebracht. Damit ließe sich das Tacet vermeiden, wenn der Priester nach dem Gruß "Der Herr sei mit euch" auf die Erwiderung "Und mit deinem Geiste" wartet und sich selbst antwortet, weil niemand reagiert. Auch für Regieanweisungen wie "Jetzt hinknien" nach dem Sanctus wären Untertitel praktikabel, ebenso für Gebete. Sonst sagen die Leute, wenn sie etwas sagen, höchstens das, was sie aus der Kirche kennen: Amen. Rudolf Neumaier

Kino

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(Foto: Arthaus)

Godard mag keine Untertitel, er findet sie widersinnig, weil sie in seinen Filmen das Gleichgewicht von Bildern und Tönen und Sprache und Schrift stören. In seinem neuesten Film "Das Bildbuch" hat er also für die deutsche Fassung seine Textpassagen nicht untertiteln lassen, sondern - Godard ist Schweizer - selber deutsch gesprochen.

Filme muss man in der Originalfassung sehen, das ist die Parole der Cineasten, das ist der direkte, nicht immer leichte Zugang zu ihnen. Wir waren glücklich, wenn Untertitel uns einst den Zugang erleichterten. Es war keine einfache Rechnung, wo der Verlust größer sein mag, bei einer sublimen Synchronisation oder bei Untertiteln, die den Blick immerzu weglenken - aber: Japanische Samurai, die mit deutschen Standardstimmen parlieren, das geht gar nicht. Die Sprache hat, auch im Kino, immer noch einen Vorsprung, wir bauen auf sie, wenn wir einem Film folgen, der Dialog dominiert, andere, nonverbale Zeichen sind sekundär. Dabei haben uns Psychoanalyse und moderne Sprachwissenschaft klargemacht, was für ein komplexer Vorgang das Lautgeben, Artikulieren, Sprechen ist. Die Sätze, die uns die Untertitel im Kino kundtun, sind nur ein kleiner Prozentsatz der gesamten Kommunikation. Was Untertitel im Kino sein könnten, erlebt man bei manchen DVDs, die für Gehörlose untertitelt wurden. Da wird der Inhalt des Gesagten, die Dialogsätze, ergänzt durch diverse Informationen, zu einem Lied, das erklingt, oder Geräuschen im Off. Mehr solche Information wünscht man sich, zu einem Bild, das an der Wand hängt, einem Auto, einer historischen Anspielung. Filme sehen, wie man ein Buch liest, mit Fußnoten. Natürlich kann man auf vielen DVDs die Untertitel auch wegblenden. Fritz Göttler

Pop

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(Foto: Taylor Swift)

Untertitel im Pop? Klingt widersinnig. Denn ist Pop nicht die Kunstform, in der es eben nicht ums Lesen geht, sondern um das, was man hören will? Auch auf Kosten von "Verhörern", die aus "I've got the power" dann "Agathe Bauer" machen. Mit solchen Verhörern macht das Lyric-Video Schluss. Es führt einem den Text eines Popsongs so vor Augen, wie er geschrieben steht. Es hüpft kein Ball über die Wörter wie im Karaoke-Video, aber sie werden im Rhythmus des Gesangs eingeblendet.

Entscheidend für die Flut solcher Lyric-Videos auf Youtube ist, dass viele Popfans die Videoplattform inzwischen als eine Art Radio nutzen. Der Google-Konzern bezahlt Künstler pro Klick, deswegen lohnt es sich für sie, auf Youtube auch Songs zugänglich zu machen, zu denen es kein reguläres Musikvideo gibt. Texte einzublenden und sie zu animieren, ist dann sozusagen die rasch produzierte, kostengünstige Minimalversion eines Musikvideos.

Inzwischen entscheidet wohl der Erfolg - oder Misserfolg - eines Lyric-Videos auf Youtube auch darüber, ob im Anschluss daran noch ein richtiges, viel teureres Musikvideo gedreht wird. Schaut man sich etwa das Lyric-Video an, das Taylor Swift 2017 zu ihrer Single "Look What You Made Me Do" veröffentlichte, muss man schon beeindruckt sein - nicht nur davon, dass es erstaunliche 119 Millionen Mal angeklickt wurde. Sondern auch davon, wie hier mittels typografischer Animation der Eindruck erweckt wird, man wäre in einem von Saul Bass gestalteten Vorspann für einen Otto-Preminger- oder Alfred-Hitchcock-Thriller. Das Video ist ein Beweis dafür, dass aus der Untertitelei im Pop längst eine eigene Kunstform geworden ist. Wenn es nun seltener zu Verhörern kommt, hat man doch etwas Neues gewonnen. Jan Kedves

Theater

La Forza del Destino
(Foto: Monika Rittershaus)

An den Münchner Kammerspielen sind sie gang und gäbe. Seit Matthias Lilienthal 2015 die Intendanz übernahm, gibt es keine Inszenierung ohne Übertitel mehr. Was auf der Bühne gesprochen wird, erscheint auf einer Laufschriftanzeige über dem Jugendstilportal in englischer Kurzübersetzung. Es gab auch schon arabische Übertitel. Die Botschaft ist klar: Das Theater ist kein closed shop mehr für Muttersprachler und solche, die sonst noch Deutsch verstehen, sondern offen für Internationalität und Diversität. Everybody welcome.

Haben sich Übertitel in der Oper schon seit den Achtzigern durchgesetzt, kamen sie im Schauspiel außerhalb von expliziten Gastspielhäusern und internationalen Festspielen erst in den Nullerjahren auf. Vorreiter war die Berliner Schaubühne. Seit 2006 bietet das in aller Welt gastierende Theater auch zu Hause in Berlin Übertitel in englischer und französischer Sprache an. Allerdings nicht immer, sondern etwa fünfzehn Mal im Monat, wie Direktor Tobias Veit erklärt. Zum einen sind nämlich die Übertiteltafeln an der Schaubühne immer direkt im Bühnenbild, "also so nah wie möglich an den Schauspielern, das wollen wir nicht bei jeder Vorstellung". Zum anderen sei das Verfahren kostspielig, "da immer von Profis gemacht". Für jedes Stück muss eine funktionale, speziell formatierte Textfassung in klarer, verständlicher Sprache erstellt werden. Und weil Theater live ist, muss auch die Übertitelung live von Hand "gefahren" werden, von einer qualifizierten Person, die das Stück gut kennt. "Das ist eine Kunst für sich", sagt Veit. Das muss man können - und das muss man sich leisten können. Christine Dössel

Soziale Medien

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(Foto: Twitter)

In den sozialen Netzwerken werden Untertitel nicht vorrangig eingesetzt, damit der Zuschauer ein fremdsprachiges Video verstehen kann. Meistens sind die Wörter, die gelesen werden, identisch mit der Sprache, die zu hören ist. Wieso dann Untertitel?

Da viele Menschen soziale Netzwerke im Bus oder im Zug und ohne Ton nutzen, hat die Bedeutung der Untertitel deutlich zugenommen. Wer keine Kopfhörer hat, kann ein Video oft nur durch Untertitelung verstehen. Kaum eine Social-Media-Werbung kommt daher ohne Schrift im Bild aus. Zumindest der Slogan des Produkts wird eingeblendet.

Studien belegen, dass Menschen bei Videos mit Untertiteln langsamer das Interesse verlieren. Der stumme Konsum verschiebt den Fokus auf das Visuelle. Untertitel sind unverzichtbar geworden. Kevin Scheerschmidt

Oper

Neue Bestuhlung Komische Oper Berlin
(Foto: dpa)

"Prima la musica, poi le parole!", "Zuerst die Musik, dann die Worte!" heißt eine Oper von Antonio Salieri. Der Titel spricht ein Problem an, das die Kunstform seit je begleitet: Was ist wichtiger in der Oper, die Musik oder die Worte? Die Schönheit des Klangs oder die Klarheit des Begriffs? Die Logik des Ohrs oder die der Handlung?

Bei den vielen fremdsprachigen Werken des Repertoires standen Dirigenten und Regisseure bis ins späte 20. Jahrhundert vor der Entscheidung: Spielt man Opern im Original und nimmt damit in Kauf, dass nur Kenner der Handlung folgen? Oder übersetzt man sie und beschädigt dabei die Schönheit des Klangs, die den der Worte immer umfasst? Spätestens seit der Jahrtausendwende bieten fast alle Opernhäuser der Welt mit den Übertiteln über dem Bühnenportal oder manchmal an den Bühnenseiten eine scheinbar ideale Lösung. Seitdem darf das Publikum bei komischen Werken an den richtigen Stellen lachen. Sänger bemühen sich um Textverständlichkeit, aber gerade in den hohen Stimmlagen bleibt das gesungene Wort immer unverständlicher als das gesprochene. Darum gibt es deutsche Übertitelung auch für deutsche Opern. In jüngster Zeit tragen zusätzliche englische Übertitel an vielen Orten auch dem internationalen Publikum Rechnung, die Komische Oper Berlin setzt mit türkischen auf neue Zielgruppen.

Die Aufmerksamkeit der Zuschauer schweift zwischen dem Kunstwerk auf der Bühne und den Übertiteln darüber. Denn dem Zwang zum Mitlesen kann man sich kaum entziehen. In der New Yorker Met oder der Wiener Staatsoper hat jeder Zuschauer einen kleinen Bildschirm vor sich, meist in der Rückenlehne des Vordersitzes. Man kann ihn abschalten. Michael Stallknecht

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