„Ihsane“ am Grand Théâtre in Genf:Versöhnung mit der Vergangenheit

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Blut an den Händen: Sidi Larbi Cherkaoui thematisiert in „Ihsane“ sowohl religiöse Gewalt als auch den von ihm abgelehnten Fleischverzehr. (Foto: Gregory Batardon)

Plastisch und fantastisch: Der Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui spürt in Genf seiner eigenen belgisch-marokkanischen Identität nach.

Von Dorion Weickmann

Das tun junge Leute, wenn sie gemeinsam abhängen: Witze reißen, ablästern, einander necken, bisschen provozieren und warten, dass endlich was Interessantes passiert. In diesem Fall biegt jemand um die Ecke, fängt an zu dozieren und arabische Schriftzeichen an die kahle Wand neben der Moscheetür zu pinseln. Schon schweigt das Jungvolk, lauscht brav und andächtig, wiederholt die Silben und Sätze, die der Instruktor lautmalerisch intoniert – auch das Publikum im Grand Théâtre von Genf wird kurzzeitig zum Chor umfunktioniert. Wer auf der Bühne ausschert und phonetisch versagt, kriegt die Ohren langgezogen oder einen Hieb mit dem Rohrstöckchen verpasst. Es trifft fast immer den gleichen, das schwarze Schaf. Bis die rund zwei Dutzend Köpfe zählende Schar sich in ein sitztanzendes Kollektiv verwandelt, das die spitzen Ecken und scharfen Kanten, die weichen Vertiefungen, Wölbungen und den mäandernden Lauf des arabischen Schriftbilds mit Händen, Fingern und Armen nachbildet – wie flüchtige Skulpturen.

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