"Sex Tape" im Kino:Jäger der verlorenen Daten

"Sex Tape" im Kino: Um ihr eingeschlafenes Sexleben aufzufrischen, versuchen Annie und Jay (Cameron Diaz, r., Jason Segel) es zunächst mit Rollenspielen auf Rollschuhen.

Um ihr eingeschlafenes Sexleben aufzufrischen, versuchen Annie und Jay (Cameron Diaz, r., Jason Segel) es zunächst mit Rollenspielen auf Rollschuhen.

(Foto: Sony)

In Jake Kasdans "Sex Tape" kämpfen Cameron Diaz und Jason Segel zwar mit der digital versauten Gegenwart, richtig schmutzig machen dürfen sie sich dabei aber nicht.

Von Annett Scheffel

Die Cloud, dieser eigentlich so wunderbar einfache, kühl mit Binärcodes programmierte Onlinespeicherservice - sie muss in diesem Film ein gänzlich unerforschtes Ding bleiben. Wie eine dunkle, unheilvolle Gewitterwolke schwebt sie über den panisch plappernden Köpfen der Protagonisten.

"Niemand versteht die Cloud", stottert Jay, als er mit seiner Ehefrau Annie in der hübschen Familienkutsche durchs vorstädtische Niemandsland rast. Jay und Annie, gespielt von Jason Segel und Cameron Diaz, sind Jäger ihrer verlorenen Daten. Die Cloud fürchten sie wie ein Ungeheuer, seit ein privates, entsprechend schlüpfriges Schlafzimmer-Filmchen der beiden blöderweise dorthin gelangt ist. Und weil der iPad-Großverbraucher Jay immer großzügig seine alten iPads verschenkt, haben nun Verwandte, Freunde und der Briefträger Zugriff auf seine Cloud "da oben" - und damit auf das Sex Tape.

Die digitale Technik ist in Jake Kasdans "Sex Tape" etwas zutiefst Geheimnisvolles, das niemand ganz durchschaut, obwohl alle längst darauf angewiesen sind. Das schürt Paranoia, denn natürlich sind die automatischen synchronisierten Gerätschaften und Apps längst in der behüteten, kalifornisch hippen Vorstandwelt des Ehepaars angekommen.

Der Nerd als Familienvater

Jay, den Segel zwischen tollpatschigem Nerd und verschwitztem All-American-Familienvater mittleren Alters spielt, hantiert im schicken Eigenheim mit gleich mehreren iPads. Seine Frau tippt auf ihrem Notebook Beiträge für ihren Mutti-Blog. Siri, Apples Sprachassistent, wird ohnehin in jeder brenzligen Lebenslage nach Tipps befragt, versagt aber erwartungsgemäß bei der Wiederbelebung eines wildgewordenen Schäferhundes. Und natürlich - um endlich beim schlagkräftigen, nicht jugendfreien Verkaufsargument des Films anzulangen - wird auch das intime Video, das ihr eingeschlafenes Sexleben neu befeuern soll, mit dem Tablet aufgenommen. So weit, so vorhersehbar.

Vom Sex Tape, der vermeintlichen Hauptattraktion des Films, mit der schon im Titel um Zuschauer gebuhlt wird, sieht man nie wirklich mehr als ein paar blanke Pobacken. Es ist dann nur der Auslöser einer grotesken nächtlichen Chaostour, die dem Zweck dient, das Filmchen auf den verteilten iPads wieder einzufangen wie eine ausgebüxte Stubenkatze: eine zotige Tour de Force, wie sie in ähnlicher kalifornisch-bürgerlicher Geisteshaltung sonst am schönsten Judd Apatow hinbekommt. Irgendwo sind hier aber die Lacher auf der Strecke geblieben. Auch das Fremdschämen funktioniert nur bedingt, wenn Segel zur Ablenkung mit einem pinken Dildo vor erwähntem Schäferhund herumwedelt.

Böses Internet?

Zeitdiagnostischen Antrieb bekommt die Geschichte, indem sie erzählt, was die moderne Technik, mit der Annie, Jay und wir alle so leichtfertig hantieren, als Faktor im sexuellen Miteinander anrichten kann. Wie unsicher die Hintertürchen sind, die damit geöffnet werden, durch die dann intimste Daten in die Welt hinausdringen können. Die Cloud im Film ist zwar nicht per se das böse Internet, jene Sumpfgrube voller hämischer und rassistischer Abscheulichkeiten, wie sie etwa auf dem Imageboard 4Chan zu Tage tritt, wo vorige Woche private Nacktfotos zahlreicher US-Prominenter wie Jennifer Lawrence und Rihanna gepostet wurden und sich von dort übers Netz verbreiteten.

Das Sex Tape des Films wird weder gehackt noch böswillig gestohlen. Das Malheur, das die Intimsphäre des funny couple fremden Augen preisgibt, wird vielmehr durch schlichtes Unwissen ausgelöst. Das ist das Zeitgemäße an diesem Film - und das Bedrückende, weil es den Kern jener digitalen Bequemlichkeit trifft, die den Schutz der Privatsphäre unreflektiert aufgibt.

Wäre der Umgang der trendbewussten Vorstädter mit den schönen, neuen Geräten nicht so töricht lässig, wüssten sie vielleicht, dass man Dateien aus Onlinespeichern und von synchronisierten Geräten sehr wohl einfach wieder löschen kann. So hätte der Film nach dem ersten Akt einfach enden können - das Beste hat man da ohnehin schon gesehen.

Wild und unschuldig

Die Chemie nämlich zwischen Diaz und Segel, die man am Rande vom "Bad Teacher", ebenfalls unter der Regie von Jake Kasdan, schon 2011 kurz bewundern durfte, erschöpft sich hier schnell - das Rollenkorsett des dauergestressten Elternpaars ist doch sehr eng. Der Sexappeal der Eheleute, die oft sehnsuchtsvoll an ihre jugendliche Geilheit zurückdenken, wird durch die Widersprüche des Drehbuchs zerrieben.

Sie sollen wild und unschuldig, versaut und familienfreundlich zugleich sein. Das ist der alte amerikanische Traum von der endlosen Flexibilität, der sich zwar durchaus biegen und dehnen lässt, in diesem Fall aber doch überspannt wird - und das ist kein schöner Anblick. Am Ende schleppen Annie und Jay ihre Kinder einfach mit, wenn sie mit Baseballschlägern und klaren Zerstörungsabsichten in das Server-Lagerhaus eines Porno-Imperiums einsteigen, wo sie Jack Black als Youporn-Chef im Hawaiihemd erwartet - einen traurigeren Familienausflug hat man lange nicht gesehen.

Sex Tape, USA 2014 - Regie: Jake Kasdan. Buch: Kate Angelo, Jason Segel, Nicholas Stoller. Kamera: Tim Suhrstedt. Schnitt: Steve Edwards, Tara Timpone. Mit: Cameron Diaz, Jason Segel, Rob Lowe, Jack Black, Ellie Kemper, Rob Corddry. Sony Pictures, 95 Minuten.

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