Sensationsfund: Römer vs. Germanen:Das wilde Gefecht an der A 7

Muss die Geschichte umgeschrieben werden? Die Entdeckung eines antiken Schlachtfelds legt nahe, dass es zwischen Römern und Germanen länger und heftiger gekracht haben muss als bisher gedacht.

H. Eggebrecht

Ein Tross römischer Soldaten zieht vom nördlichen Germanien nach Süden. Katapultgeschütze, Wagen, Bogenschützen sind dabei, Maultiere als Zugtiere, auch Kavallerie. Sie müssen westlich des Harzes über einen Pass. Doch den Pass verstellen germanische Haufen. Es kommt zu einem wilden Gefecht im hügeligen Gelände, die Römer beschießen die germanische Stellung auf der Anhöhe. Schließlich behaupten sie sich, aber germanischer Widerstand droht weiterhin, sie ziehen ab ins Leinetal.

Filmszene Gladiator, Dreamworks Pictures

Wie immer er aussah, der Kampf gegen die Barbaren, hart muss er gewesen sein. Szene aus dem Film "Gladiator" (mit Russell Crowe, Mitte).

(Foto: Foto: Dreamworks Pictures)

So könnte es vielleicht gewesen sein in der Nähe des Ortes Oldenrode im Landkreis Northeim am Harzhorn. Doch Archäologen und Historiker stehen erst am Anfang einer Erforschung dieses erstaunlichen Fundes, die möglicherweise die bisherige Geschichtsschreibung über das Verhältnis von Römern und Germanen im 3. Jahrhundert verändern wird.

Hipposandalen

Es schien nahezu sicher, dass sich die Römer nach der fürchterlichen Niederlage des Varus gegen die Germanen unter Arminius im Teutoburger Wald im Jahr 9 nach Christus ein für allemal aus Zentral-Germanien zurückgezogen hatten. Die Entdeckung der Gefechtsüberreste am Harzhorn ist in dieser Gegend an und für sich schon ein Ereignis. Doch zur Sensation wird der Fund durch die Datierung: Die Kämpfe müssen rund zweihundert Jahre nach Varus und Arminius stattgefunden haben.

Darauf deutet eine Münze des Kaisers Commodus hin, der zwischen 180 und 192 n. Chr. herrschte. Außerdem gibt es ein Messerfutteral, das nicht vor Ende des 2. Jahrhunderts gefertigt sein kann. Und auch das übrige bisher entdeckte Waffenarsenal stützt diese Zeitangabe. Irgendwann zwischen Ende des 2. und bis Mitte des 3. Jahrhunderts muss es hier richtig gekracht haben.

Doch zum Anfang der Geschichte: Im Juni wurden der Kreisarchäologin Petra Lönne staunenerregende Gegenstände vorgelegt: Eiserne Speerspitzen, Katapultgeschossbolzen, Hipposandalen, also Hufschutz speziell für Maultiere und Pferde des römischen Militärs, und anderes mehr. In geheimer Mission, um dreisten Raubgräbern mit ihren Metallsonden zuvorzukommen, die bei Nacht- und Nebelaktionen archäologische Fundsituationen irreparabel zerstören, machten sich daraufhin die Ausgräber an der Fundstelle im Wald ans Werk und fanden bisher insgesamt rund sechshundert Stücke.

Zum Teil lagen die gut erhaltenen Überbleibsel dicht unter der Oberfläche und tatsächlich auch noch so, dass bestimmte Kampfhandlungen nachvollziehbar sind, etwa der Einschlag von Pfeilattacken oder einzelne Fußsoldatenangriffe. Man fand zahlreiche Nägel von den Soldatenstiefeln. Seltsamerweise haben die Germanen, von denen bisher quasi nichts gefunden wurde (was man auch vom möglichen Schlachtfeld der Varusniederlage in Kalkriese kennt), den Ort mit seinen zertrümmerten Wagen, im Boden steckenden Geschossen und sonstiger Ausrüstung nicht geplündert, so dass sich ein in diesem Erhaltungszustand ungewöhnliches Bild eines antiken Schlachtfeldes bietet.

Vage Vermutungen

Das Gelände zieht sich etwa anderthalb Kilometer und 500 Meter tief über Hügelkuppen hin auf dem von West nach Ost laufenden Höhenrücken Harzhorn, der eine natürliche Barriere in Nord-Süd-Richtung bildet. Wer hier hinüber wollte, musste jenen Pass überqueren, über den auch heute die Autobahn A7, die Bundesstraße 248 und ebenso der alte Heerweg führen. Offenbar wurde den Römern der Pass verstellt, sie mussten sich durchschlagen. Doch siegten sie wohl auf Grund überlegener Waffentechnik, so die vorläufigen Vermutungen.

Die Archäologen sind mit Erklärungen und Ereignisdeutungen zu Recht vorsichtig, weil die weiteren detaillierten Grabungen jederzeit bisherige Annahmen umstürzen können. Man weiß auch noch nicht, ob Befestigungen und Schanzen angelegt worden sind. Holzteile von Pfeilen sind eindeutig afrikanischen Ursprungs, was auf afrikanische Söldner auf römischer Seite hindeuten könnte. Beeindruckend ist die Qualität der Funde. Es ist nicht nur vernutzter Schlachtenschrott übrig geblieben, vieles hätten die Germanen weiter gebrauchen können. Warum räumten sie das Feld nicht ab, wurde der Ort vielleicht tabuisiert?

Zum historischen Hintergrund kann es bis jetzt nur vage Vermutungen geben, denn die genaue wissenschaftliche Erforschung und Auswertung des Schlachtfeldes steht noch bevor und wird Jahre dauern. Die Archäologen werden ganz auf sich gestellt sein, weil es keinerlei schriftliche Überlieferung von einer Schlacht in dieser Gegend aus jener Zeit gibt. Immerhin berichtet Herodian von Kaiser Maximinus Thrax, der 235 gegen die Germanen zog. Der "Soldatenkaiser" setzte auch persische Bogenschützen und maurische Speerwerfer ein.

Im 3. Jahrhundert verstärkten sich die germanischen Angriffe auf den Limes, vielfach gab es kriegerische Übergriffe auf die Gebiete jenseits des Limes. Immer wieder kam es daher zu römischen Strafexpeditionen tief nach Germanien hinein. Die Versuchung ist groß, die Aktion am Harzhorn diesem Unternehmen des Maximinus Thrax zuzuschreiben, wie auch die sofort auf der Pressekonferenz am Montag im Wirtshaussaal in Oldenrode einsetzenden akademischen Debatten zeigten.

Doch Landesarchäologe Henning Haßmann aus Hannover und Bezirksarchäologe Michael Geschwinde aus Braunschweig bleiben reserviert und skeptisch: "Ob wir je die Hintergründe dieses Waffenganges herausfinden werden, steht wirklich dahin."

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