Schweiz-Thriller:Im Netz nichts Neues

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Ein ganz komplizierter Radiomoderator, der gerne Sex im Hallenbad hat, und ein fieser Mediengroßkonzern: Urs Augstburger lässt in seinem klischeehaften Thriller "Helvetia 2.0" Digitalmenschen aufeinander los.

Von Meredith Haaf

Dass ein Krimi nur dann als intelligent durchgeht, wenn er mindestens einen Protagonisten mit möglichst komplexem Innenleben, einem ausgeprägten sexuellen Appetit und einem salzigen Humörchen vorweisen kann, ist ein Klischee des Genres, aber Klischees sind eben hartnäckig. Und gelegentlich, dafür wurden sie ja auch erfunden, unterhaltsamer als jedes Original.

Nicht ganz so in "Helvetia 2.0", dem neuen Werk des Autors und Journalisten Urs Augstburger, das auf dem Cover als Thriller ausgewiesen wird. Wer seine Klischees hoch dosiert bevorzugt, ist hier genau richtig. Der Held ist ein verlaberter Radio-DJ, den seine Hörer anscheinend dafür lieben, dass er so mit ihnen redet: "Aber gebt acht, Midnight Girls & (sic!) Toyboys, Moral ist das Letzte, was wir hier brauchen, werft eine Prise LSD in den Vapo und auf zum nächsten Trip, die Nacht ist lang, die Nacht ist weit." Ja, stimmt eigentlich, genau so stellt man es sich leider vor, wie Leute in der Schweiz reden, wenn sie mal so richtig im Radio abdrehen wollen.

Der Held kopuliert gerne im öffentlichen Hallenbad

Jedenfalls gerät dieser Held, der natürlich eine ganz komplizierte Persönlichkeit hat, sich aus irgendwelchen langweiligen Gründen anders nennt als er eigentlich heißt und gerne anonym im öffentlichen Hallenbad kopuliert, in einen Strudel aus Mord, Totschlag und Medienfusionen. Es gibt da eine gigantische Holding, die nicht nur daran arbeitet, die Vielfalt der Medienlandschaft zu zerstören, sondern auch noch eine rechtspopulistische Bewegung züchtet, ein Schlepper-Unternehmen für wohlhabende Flüchtlinge betreibt und ab und zu Menschenleben vernichtet. Das klingt irrwitziger als es in einem gut gemachten Krimi sein müsste. (Und als es, wenn man die Machenschaften großer Konzerne bedenkt, die derzeit wieder enthüllt werden, in der Realität ist.)

Urs Augstburger: Helvetia 2.0. Tropen Verlag, Stuttgart 2017. 303 Seiten, 20 Euro. E-Book 15,99 Euro. (Foto: Tropen Verlag)

In Anbetracht der Nachrichten, die derzeit aus der real existierenden Schweizer Medienlandschaft zu vernehmen sind, besäße die Story eine prickelnde Aktualität, wenn, ja wenn da nicht das völlige Desinteresse des Autors an irgendeinem Verständnis für diese Thematik jenseits des Klischees wäre. Den Oberbösen lässt Augstburger allen Ernstes zu seinem Opfer sagen: "Du hast nie kapiert, was gespielt wird. Ich hätte dich zum Online-Star gemacht. Zum Social-Media-Gott. Wir hätten das Radio der Zukunft erfunden. Die perfekte Online-Strategie, das erste nationale Internet-Media-Datenhaus." Ja, so reden sie die fiesen Digitalisierer, und wer so redet, der hat auch kein Problem zu morden.

Man kann in Zeiten wie unseren gar nicht genug auf die Bösen zeigen, man kann auch nicht oft genug darauf hinweisen, mit welcher Entschlossenheit große Konzerne unser aller sozialen Frieden zerstören. Aber billig gebaute Populismus-Schauergeschichten mit Macho-Softie-Helden machen zwischen zwei Buchdeckel gepackt ziemlich genau so wenig Spaß, wie da draußen in diesem unheimlichen Social-Media-Weltweit-Daten-Netz.

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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