"100 Dinge" im Kino:Weg mit dem Kram!

  • Nach der Tragikomödie "Der geilste Tag" bringen Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer mit "100 Dinge" erneut einen gemeinsamen Film in die Kinos.
  • Die beiden spielen darin die Hauptfiguren Paul und Toni, die wetten, dass es der jeweils andere keine 100 Tage ohne seinen Besitz aushält.
  • Als Komödie funktioniert der Film über radikalen Konsumverzicht wie geschmiert, mit den großen Fragen tut er sich jedoch schwer.

Von Martina Knoben

In deutschen Innenstädten kommt man an den beiden Nackten derzeit kaum vorbei: Unbehaglich, unbekleidet und quasi unbehaust bewerben Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer ihren neuen Film "100 Dinge". Darin haben sie tatsächlich wenig an: Als smarte Jungunternehmer und Konsumfetischisten wetten sie bei einer Betriebsparty, dass es der jeweils andere keine 100 Tage ohne seinen Besitz aushält. Und weil sie ihren Mitarbeitern Firmenanteile versprochen haben für den Fall, dass einer schummelt oder aufgibt, nehmen diese die Wette ausgesprochen ernst. Nackt und verkatert, mit nichts als einem Schlüssel um den Hals, wachen Paul (Fitz) und Toni (Schweighöfer) in ihren leer geräumten Wohnungen auf und dürfen jeden Tag nur genau ein Ding aus ihrem Besitz zurückholen.

Radikaler Konsumverzicht, wie aufregend! Schließlich ist Minimalismus, die Konzentration aufs Wesentliche, das neue Ding für die übersättigte Gesellschaft (für Slumbewohner in Mumbai eher weniger). Besonders gut macht sich Bescheidenheit in einem 150-Quadratmeter-Loft mit Blick auf Berlin-Mitte, wie Paul und Toni je eines besitzen. So ohne Möbel und Kram sehen ihre Wohnungen sogar noch größer und spektakulärer aus.

Als Klamauk-Maschine läuft "100 Dinge" wie geschmiert

Fitz und Schweighöfer waren schon bei "Der geilste Tag" (2016) ein Team, einer Tragikomödie über die letzte Reise zweier Todkranker. Fitz schrieb das Drehbuch und führte Regie, Schweighöfer produzierte, beide spielten damals die Hauptrollen. Für "100 Dinge" sind sie bei dieser Arbeitsteilung geblieben. Inspiriert wurde Fitz bei seinem Drehbuch von Petri Luukkainens "My Stuff" (2013), einer Doku, in der sich der Finne selbst filmte, wie er seine Besitztümer ein Jahr lang in ein Lager steckte und sich jeden Tag nur eines zurücknahm.

Viele komische Ideen hat Fitz übernommen. Wie Luukkainen laufen nun auch Paul und Toni nackt durch den Schnee, die Hände in Fußballermanier vor ihrem Unterkörper, um sich als erstes einen Mantel oder Schlafsack aus dem Depot zurückzuholen. Auch sie putzen sich mit dem Zeigefinger die Zähne und sind glücklich, als sie nach einigen Tagen wieder auf einer Matratze schlafen können.

Als Klamauk-Maschine läuft "100 Dinge" wie geschmiert, wird aber unrund, wenn es um die ganz großen Fragen geht. Besitzen wir Dinge oder besitzen die Dinge uns? Und wer profitiert von dem "Loch in der Seele", wie es im Film heißt, das wir mit dem Kauf von noch einem Paar Sneakern oder einer sündteuren Espressomaschine füllen wollen? "100 Dinge"beantwortet diese Fragen gewissermaßen mit Dackelblick (einem treuherzigen Blick, wie ihn auch Fitz in der Rolle als Paul kultiviert). Die Konsumkritik, die er übt, präsentiert er in der süffigsten, konsumierbarsten Verpackung: lustig und bunt fotografiert, hip ausgestattet (die Lofts!) und mit prominenten Darstellern. Hannelore Elsner und Wolfgang Stumph spielen Pauls Eltern, Katharina Thalbach seine Oma; Maria Furtwängler glänzt in einem Kurzauftritt.

Als Paul einigen Obdachlosen Bedürfnislosigkeit predigt, kriegt er gleich eine Flasche an den Kopf

Hier gehen Form und Botschaft nicht wirklich zusammen. Andererseits führt dieser Widerspruch auch vor Augen, dass es aus der Logik des Kapitalismus so leicht keinen Ausweg gibt. Selbst die Nacktheit der beiden Hauptdarsteller wirkt in diesem Zusammenhang konsequent, schließlich ist ein im Fitnessstudio definierter Körper heutzutage womöglich das ultimative Statussymbol. Nackt gut aussehen, damit werben diverse Trainingsmethoden. Und drohen gleichzeitig: Wenn es wirklich drauf ankommt, nutzen Handy, Uhr oder Auto wenig. Fitz und Schweighöfer waren vorbereitet und hatten eigens für den Film Muskeln auftrainiert.

Dass Fitz (seinem treuherzigen Filmblick zum Trotz) alles andere als naiv mit seinem Stoff umgeht, belegen diverse Szenen. Als der geläuterte Paul Obdachlosen das Lob der Bedürfnislosigkeit singt, bekommt er gleich eine Flasche an den Kopf. Und das love interest des Films, die mysteriöse Lucy (Miriam Stein), bringt all diejenigen in Erinnerung, die sich ihre Konsumsucht eigentlich nicht leisten können und von ihren Schulden beinah erdrückt werden. Als wirklich gruselige (nur oberflächlich komisch parodierte) Figur taucht außerdem ein amerikanischer InternetMilliardär namens David Zuckerman auf, der für einen Millionenbetrag die App kaufen will, die Paul und Toni entwickelt haben. Mittels Künstlicher Intelligenz spricht sie jeden Smarphone-User persönlich an und spioniert ihn dabei über sein Konsumverhalten aus. Paul hat sie entwickelt - und fällt auf seine eigene Erfindung rein.

100 Dinge, D 2018 - Regie: Florian David Fitz. Buch: F. D. Fitz. Kamera: Bernhard Jasper. Schnitt: Denis Bachter. Mit: F. D. Fitz, Matthias Schweighöfer, Miriam Stein, Hannelore Elsner, Wolfgang Stumph, Katharina Thalbach. Verleih: Warner Bros., 106 Min.

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