Süddeutsche Zeitung

Schriftsteller Martin Suter:Gegenentwurf zum darbenden Künstler

  • Erfolgsautor Martin Suter kann gut vom Verkauf seiner Bücher leben.
  • Die Schweizer Boulevardzeitung Blick unterstellt ihm jetzt, er lasse sie zusätzlich vom Staat fördern, während jene Autoren, die das Geld nötig hätten, "verhungern" müssten.
  • Die Vorwürfe sind absurd - das Blatt inszeniert eine Schmutzkampagne gegen den Schriftsteller, der sich einst gegen die Berichterstattung des Blick gewehrt hatte.

Von Christopher Schmidt

Wer die Vita des Schweizer Schriftstellers Martin Suter, 66, nachliest, wird eine lange Reihe von Buchtiteln finden, aber keinen einzigen erwähnten Literaturpreis. Denn auf Förderung war Suter, der kommerziell erfolgreichste deutschsprachige Romancier, noch nie angewiesen.

Als der spätberufene Suter im Alter von fünfzig Jahren sein erstes Buch veröffentlichte, hatte er bereits eine Karriere in der Werbebranche hinter sich. Den Sprung in die freie Existenz als Künstler wagte er erst, als er sich sicher war, dass er von seinem Schreiben würde leben können, und leben, das heißt bei Suter gut leben - daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Spitzwegs armer Poet in der Dachstube sei von Anfang an nicht sein Vorbild gewesen, hat er einmal bei einer Begegnung erzählt.

"Allen ist bewusst, dass wir in einer Seifenblase leben"

Anders als nicht wenige seiner Kollegen, denen die Literaturförderung eine bisweilen erstaunliche Para-Karriere ermöglicht, ohne dass dabei irgendetwas Lesenswertes herauskäme, verdient Martin Suter sein Geld damit, dass viele Menschen seine Bücher gerne lesen.

Und das ist nicht nur für ihn erfreulich, sondern für die gesamte Branche. Denn ohne ein Zugpferd, das die weniger gut verkäuflichen Autoren quersubventioniert, kann heute kein literarischer Verlag überleben. Man sollte Suter also dankbar sein.

Soeben ist Suters neuester Roman erschienen. Er heißt "Montecristo" und handelt von einer fiktiven Schweizer Großbank, die Falschgeld in Umlauf bringt, weil sie sich im großen Stil verspekuliert hat und weiß, dass der Staat nach der jüngsten Bankenkrise nicht noch einmal einspringen wird.

"Allen ist bewusst, dass wir in einer Seifenblase leben, deshalb ist jeder bemüht, sich so behutsam zu bewegen, weil niemand will, dass die Blase platzt", heißt es in "Montecristo". Was den Schriftsteller Martin Suter betrifft, gibt es allerdings sehr wohl eine Institution, die will, dass die Blase platzt, und sich deshalb alles andere als behutsam bewegt.

Auf der Titelseite ihrer Mittwochsausgabe behauptete die Schweizer Boulevardzeitung Blick, der Bestseller-Millionär Suter lasse sich mit öffentlichen Geldern unterstützen. "Staatshilfe für Star-Autor" lautete die Schlagzeile. Konkret geht es um 140 000 Franken Fördermittel, die Suter angeblich zugutegekommen sind, während jene Autoren, die das Geld nötig hätten, "verhungern" müssten.

"Staat veredelt Edelfeder", so die griffige Formel. Nun wäre es eine gute Nachricht, wenn der Boulevard sein Herz für darbende Künstler entdeckt. Doch dass ausgerechnet ein Massenblatt einem Kollegen der schreibenden Zunft seine hohen Auflagen zum Vorwurf macht, wirkt bizarr.

Inhaltlich ist die Anschuldigung ohnehin absurd, schließlich sind die Beträge überwiegend für die Förderung von Übersetzungen eingesetzt worden, keinen einzigen Franken hat Suter selbst erhalten, wie die Zeitung suggeriert.

Und die Entsendung von Autoren zu Lesungen und Auftritten im Ausland gehört zu Sinn und Zweck der Literaturförderung. Wenn ein so begehrtes und gerne herumgereichtes Edelweiß wie Martin Suter die Schweizer Kultur repräsentiert, dann hat diese mehr davon als der Autor selbst.

Wehrhaft im Schmerz

Ganz offenkundig handelt es sich bei der Schmutzkampagne um eine billige Retourkutsche. Als vor sechs Jahren Suters damals dreijähriger Adoptivsohn an einem Wurstzipfel erstickte und der Blick aus der Tragödie sensationslüsternes Kapital schlug, wehrte sich der Autor.

Öffentlich bekundete Suter seinen Unmut und sprach von "Grabplünderung". Nun soll der Volkszorn angestachelt werden, indem man ausgerechnet Suter, diesen feinen, distinguierten Herrn, der größten Wert auf seine Unabhängigkeit legt, als Subventions-Schmarotzer diffamiert.

Wenn Erfolg ein Verdachtsmoment darstellt, müsste Blick, das Blatt aus dem Ringier-Konzern, den eigenen Laden als Erstes zusperren. Im Übrigen kann man nur froh sein um jeden Künstler, der keine Unterstützung benötigt. Martin Suter ist so einer.

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SZ vom 28.02.2015/jobr
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