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Schriftsteller Louis Begley:Highlife vor dunklem Grund

Im Alter von 57 Jahren veröffentlichte Louis Begley sein erstes Buch, zehn Romane sind es mittlerweile. Sie alle eint: der elegante Stil, die geschickte Dramaturgie, das leichthändige Ineinanderspielen von Zeiten und Räumen. Aber auch eine gewisse Traurigkeit. Nun wird der Schriftsteller 80.

Von Meike Fessmann

"Erziehung eines Monsters" wollte er seinen ersten Roman ursprünglich nennen, der dann als "Lügen in Zeiten des Krieges" seinen Ruhm begründete. Es war ein spätes Debüt. Als "Wartime Lies" 1991 im amerikanischen Original erschien, war Louis Begley 57 Jahre alt und Teilhaber einer New Yorker Anwaltskanzlei mit Dependancen in Europa und Asien. Er hatte den Roman seiner Kindheit während eines viermonatigen Sabbaticals geschrieben. Als Louis Begleiter am 6. Oktober 1933 im galizischen Stryj geboren, gelang ihm mit seiner Mutter, dem Vorbild der Tante im Roman, die Flucht aus dem besetzten Polen. Sie gaben sich als Katholiken aus, obwohl sie Juden waren. Die Notlüge war lebensrettend. Gleichwohl löste sie Angst und Scham in ihm aus, die ihn auch als Erwachsenen nicht loslassen sollten.

Auch wenn Louis Begley, der 1947 mit seinen Eltern über Paris nach New York kam, seinen Stil nach seinem Debüt veränderte, lebt etwas von der Monstrosität, die diese Maskerade für den Jungen bedeutet hat, in all seinen Romanen fort. Die Kargheit und Melancholie seiner Sprache weicht einer manchmal geradezu perlenden Eleganz. Doch seine Helden gehören niemals ganz dazu. Sie sind Beobachter der Codes, die sie verstehen wollen, stets fürchtend, man könnte sie bei einem Fehler ertappen, der für immer ihre Unzugehörigkeit erweist. Oft werden sie von anderen Figuren, die ihnen erzählend zur Seite stehen, in den Blick genommen. So etwa Henry White, der Held des Romans "Ehrensachen", den wir durch den Blick seines Freundes Sam Standish wahrnehmen.

Sieben Romane hatte Louis Begley bereits geschrieben, darunter zwei der drei Romane über seine vielleicht berühmteste Figur, den pensionierten Anwalt Albert Schmidt, den liebenswerten Spießer, der nach dem Tod seiner Frau noch einmal von vorn beginnt. Erst dann erzählte er davon, wie schwierig es war, als jüdischer Immigrant mit den Söhnen der Ostküsten-Elite in Harvard zu studieren.

Ungebrochene erzählerische Kraft

An Geld und Vermögen mangelt es in keinem der Romane. Nicht nur der elegante Stil, die geschickte Dramaturgie, das leichthändige Ineinanderspielen von Zeiten und Räumen, sondern auch das exklusive Setting trägt zum Lese-Vergnügen bei. Apartments in bester Central-Park-Lage, feinste Kanzleiadressen, rauschende Partys, Wochenenden auf Long Island, Urlaubs- und Geschäftsreisen in die Metropolen der Welt und lange Aufenthalte in Europa beleben seine Romane so selbstverständlich wie kulinarische Freuden und erotische Vergnügungen. Ehen werden geschieden und bald darauf neue geschlossen. Die Frauen von Freunden werden verführt, millionenschwere Geschäfte gelegentlich nur deshalb eingegangen, um die Energien des Geschäftspartners zu binden, damit man freie Hand bei dessen Gattin hat.

Das Milieu der Investmentbanker und Anwaltskanzleien erlebt in Begleys Romanen seine Apotheose. Und doch gibt es stets einen Basso continuo der Traurigkeit. Figuren begehen Selbstmord, wie Ben, der jüdische Wall-Street-Banker, der sich trotz seines Erfolgs in der Seine ertränkt (in "Der Mann, der zu spät kam"), oder verkriechen sich krebskrank in Venedig wie Mistler, der Chef einer Werbeagentur, in "Mistlers Abschied". Im letzten Schmidt-Roman, "Schmidts Einsicht", hofft der wieder einmal verliebte Held nicht nur für sich selbst auf Erlösung und Erneuerung, sondern mit der Präsidentschaft Obamas auch für sein ganzes Land.

An diesem Sonntag feiert Louis Begley seinen achtzigsten Geburtstag. Seine erzählerische Kraft ist ungebrochen. Soeben ist sein zehnter Roman erschienen. "Erinnerungen an eine Ehe" ist das listige Porträt einer glücklichen Ehe, die umso heller leuchtet, als sie sich von einem dunklen Hintergrund abhebt: ein Schriftsteller lauscht nach dem Tod seiner geliebten Frau dem Klagegesang einer Jugendfreundin, die voller Bitterkeit von ihrer gescheiterten Ehe erzählt. Die Beziehung ist an ihrem Ostküsten-Dünkel zugrunde gegangen.

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SZ vom 05.10.2013/mkoh
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