Süddeutsche Zeitung

"Schmidt & Pocher":Die Ära Schmidt geht zu Ende

Teilen statt Herrschen ist nun angesagt. Harald Schmidt dankt als König der Komiker ab, indem er sich Oliver Pocher ins Boot holt.

Lothar Müller

Kürzlich kamen irgendwo im Fernsehen Komiker aus allen Kanälen zusammen, schauten sich an, was sie in jüngerer oder fernerer Vergangenheit für Scherze gemacht hatten, und weil ihr Reich in der Bundesrepublik liegt und also ein Wahlkönigtum ist, beratschlagten sie sodann, wem die Königskrone gebühre. Die Wahl fiel - manchmal sind Narren weise - auf den abgedankten König: Loriot. Der lächelte milde und auch ein wenig durchtrieben, wohl, weil er die Pointe sogleich begriffen hatte, die da lautet: Der Thron ist leer.

Man kann das auch prosaischer ausdrücken: Die Planstelle des großen Komikers ist in der Bundesrepublik Deutschland derzeit unbesetzt. Nicht nur, weil Loriot abgedankt hat und Rudi Carrell tot ist, sondern auch, weil Harald Schmidt sie geräumt hat. Nichts demonstriert diese Amtsmüdigkeit unmissverständlicher als die Ankündigung, er wolle künftig seine Planstelle mit Oliver Pocher teilen.

Einschmelzung der Hochkultur

Gewiss, es gibt die große Tradition der Komiker-Duos, und das deutsche Fernsehen hat dazu immerhin Derrick und Harry beigesteuert. Aber der große Komiker der Fernsehnation ist eine Einzelrolle, man kann in sie nicht berufen werden, sie kann einem nur zuwachsen. Und das wichtigste Rollenprofil ist, als Erbteil des alteuropäischen Narren: Unbelangbarkeit.

Harald Schmidt wuchs diese Unbelangbarkeit in der Schröder-Ära zu. Nicht nur deshalb, weil die Feuilletons sie ihm zuschrieben. Es gab zugleich ein Plebiszit, in dem sich seine Massenbasis zu Wort meldete: die Generation Golf. In dem gleichnamigen Bestseller von Florian Illies, der 2000 erschien, war Harald Schmidt "der große Erzieher unserer Generation".

Der Schmidt-Kult der ersten bundesrepublikanischen Generation geistig Besserverdienender, die das Fernsehen und die Konsumwelt nicht verachteten, galt dem Zugleich von ideologischer, medialer und kultureller Unbelangbarkeit: den Pointen unterhalb der politisch-moralischen Gürtellinie der alten Bundesrepublik; der souveränen Verschwendung von Sendezeit durch Nichtstun und pure Albernheit; der Einschmelzung der Hochkultur in Comedy-Formate (Kants "Kritik der reinen Vernunft" als Playmobil-Theater etc.).

Seine Unbelangbarkeit hat Harald Schmidt aufgezehrt, sein Charisma - die Basis aller plebiszitären Herrschaft - verwahrlosen lassen. Nun wird seine Planstelle geteilt, während Loriot für immer und ewig allein auf seinem Ancien-Regime-Sofa sitzt.

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Quelle:
SZ v. 16.5.2007
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