Schlechtester Film aller Zeiten:Wie eine Atombombe, die jeden Moment explodiert

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Szene aus The Room Film

Tommy Wiseau gleicht in "The Room" einem tiefergelegten Augen- und Ohren-Acker - wenn es das Wort für das Gegenteil einer Augenweide überhaupt geben sollte.

(Foto: Wiseau-Film)

Alles ist schiefgelaufen in diesem Film. "The Room" hat die miesesten Schauspieler, die schlimmsten Dialoge, die übelste Aussprache, die haarsträubendsten Continuity-Fehler. Jetzt wird der Film zehn Jahre alt - und ist unbestritten: Kult!

Von Bernd Graff

Dies ist ein Artikel über den Film "The Room". Falls Sie ihn schon gesehen haben: Glückwunsch! Sie haben ihn überlebt.

Denn dieser Film ist nicht nur der schlechteste Film, der jemals gedreht wurde, er ist auch der zweitschlechteste. Ach was! Es ist der beste schlechteste Film, der jemals gedreht wurde. Abgrundtief ist alles daran, was mit Filmemachen zu tun hat: das Script, der Plot, die Schauspieler, die Dialoge, sogar die Aussprache der Dialoge. Und die Continuity macht solche Hasensprünge von Tag auf Nacht, von Frack auf Casual, von unrasiert zu rasiert, dass einem schwindlig wird. Ach was: Seekrank wird man.

"The Room" hat Tommy Wiseau (keine Witze über Namen, aber dieser wird im Deutschen "Wieso?" ausgesprochen, was unbedingt passt!) hervorgebracht, ein Spektakel von einem Mann, schon optisch. Eigentlich ein Mann ohne Alter, irgendwas zwischen Winnetou nach dem wiederholten Ein- und Ausgraben des Kriegsbeils, den späten Jungs von AC/DC vor der sechsten Zugabe, Udo Lindenberg an einem schlechten Tag und dem frühen Arnold Schwarzenegger beim Zirkeltraining. Wiseau ist ein tiefergelegter Augen- und Ohren-Acker, falls es dieses Wort für das Gegenteil einer Augenweide geben sollte.

Er kann nichts: nicht sprechen, nicht betonen, nicht schauspielern. Sein Nuscheln liegt irgendwo zwischen Navi-Stimme auf Ecstasy und anfängerhaft programmierter Computerlinguistik. Sein Schauspiel ist grobmotorisches Spektakel. Wenn Wiseau nicht weiß, wohin mit seinen Händen, und das weiß er meistens nicht, dann verschränkt er sie hinter dem Kopf und lacht dazu. Das passiert gerade auch an dramaturgisch völlig unpassenden Stellen, etwa, wenn er erfährt, dass eine Frau von ihrem Freund verprügelt wurde und nun ihren Verletzungen erlegen ist, oder, wenn er von seiner Entlassung berichtet. Nicht einmal Sex scheint er zu können, wenn man das, was er da zweimal mit einer Frau im Bett macht, denn Sex nennen möchte.

Und weil es zweimal im Film Sex geben muss, unbedingt zweimal, wird die erste Szene einfach noch mal hineinmontiert, die ganze Szene, nicht eine Andeutung, nicht ein Einzelbild, die ganze SZENE! Ach ja, diese Szene hat selber einen Zeitriss: Während man sich bei Tag auszuziehen beginnt, ist man damit in tiefer Nacht endlich fertig.

Die Requisite hat hier einen Fernseher, vor dem unmittelbar das Sofa steht. Und das bleibt da auch. Die Szenen, die außen sein sollen, sind Green-Box-Szenen, obwohl es dafür überhaupt keinen Grund gibt. Man hätte das, was man da sieht, überall real mit Schauspielern filmen können. Und die Kostüme, die man für Mr. Wiseau für angemessen hielt in diesem Film, sind atemberaubende Katastrophen, Trümmer in Acryl und ihm außerdem zu groß, und nein: Das hört auch bei den Schlipsen nicht auf. Es sind fulminante Textilverbrechen, die man auch mal vor einem ordentlichen Gericht verhandeln könnte.

Jedenfalls: Der Film ist ein reines Wunder - und Mr. Wiseau hat es ermöglicht. Denn: Tommy Wiseau ist der "Ausführende Produzent", der Regisseur, der Drehbuchautor, der Hauptdarsteller und, falls das jemand nicht mitbekommen haben sollte: Er ist der Produzent des Films, der Vorspann sagt auch das zwei Mal. Was also in diesem Film in die Hose geht, also alles, ist auf Mr. Wiseaus Mist gewachsen. Hirnwegpustend! Man kann nicht aufhören hinzuschauen.

Aber zurück zu den Fakten. Also: "The Room" ist aus dem Jahr 2003 und soll eine Liebesgeschichte sein. Banker Johnny (Wiseau) liebt seine Verlobte Lisa, die aber findet Johnny langweilig und liebt nun den besten Freund von Johnny, Mark. Dass Lisa Johnny langweilig findet, erfährt man dreimal aus Gesprächen mit ihrer Mutter, die tatsächlich immer neue Szenen im Film sind, aber thematisch nicht vom Fleck kommen.

Dafür erfährt man in einer der drei Konversationen, dass Lisas Mutter "die Ergebnisse der Untersuchungen bekommen" hat: "Ich habe definitiv Brustkrebs." Das sagt sie aber in dem Ton, in dem man sagt, dass der Kaffee bei Aldi im Angebot ist. Lisa geht auch gar nicht darauf ein - und für den Film spielt die Krankheit auch keine Rolle mehr. Dafür spielt aber vielleicht eine Rolle, dass sich vier Männer in einer Szene fürs Football-Spielen in Fräcke geworfen haben, die aber für keine der weiteren Szenen gebraucht werden.

Am 31. Mai 2013 wird das Unding zehn Jahre alt. Von der fassungslosen Kritik in Grund und Boden und noch tiefer verrissen, entwickelte das Machwerk einen eigenen Online-Kult-Status, es entwickelten sich Webseiten zum Film: etwa eine Fanseite und eine mit den größten Satz-Unfällen zum Anklicken und Wiederhören. Ach ja, Merchandise gibt es auch. Es gab und gibt in diesem Jahrzehnt seiner Existenz Nachtvorstellungen vor hingerissenem Publikum, das mit Plastik-Besteck wirft, wenn im Film das gerahmte Bild eines Löffels gezeigt wird. Und das wird oft gezeigt. Warum? Niemand außer Wiseau weiß es.

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