Schauspieler Matthias Schweighöfer:Narziss und Volksmund

Manche bezeichnen ihn als heißesten Eisbrecher der Republik, bei Facebook hat er mehr Fans als Angelina Jolie - und im Kino spielt er nun den Sohn Gottes: ein Treffen mit Matthias Schweighöfer.

Marten Rolff

Der Winter hat eine dieser Bleidecken vor den Berliner Himmel gezogen, und ein kalter, feiner Regen wird bald die ersten Mittagsgäste in die Cafés von Mitte spülen. Als Matthias Schweighöfer das Bistro in der Luisenstraße betritt, ist sein Gesicht in einem dunklen Mantelkragen versenkt, die Frau hinter dem Tresen erkennt ihn trotzdem sofort. Schließlich wohnt er um die Ecke, ein Nachbar eben. Mitte-Menschen würden das Bistro vielleicht ein wenig übertrieben Schweighöfers Wohnzimmer nennen. Und dabei betonen, dass so ein Schauspielerwohnzimmer gerade in Mitte ja überhaupt keine große Sache ist. Schweighöfer selbst lenkt erst einmal alle Aufmerksamkeit auf die fair gehandelte Zitronenlimonade. Er lässt sich eine ganze Kiste nach Hause schicken - "wie immer?".

Kinostarts - '3Faltig'

Diesen Donnerstag startet "3faltig" im Kino. Matthias Schweighöfer (im Bild) spielt Gottes Sohn Christl, der auf die Erde zurückkehrt, um die Apokalypse zu verkünden. Den Heiligen Geist - Hage - spielt Christian Tramitz.

(Foto: dpa)

Schließlich kommt er zum Interview an den Tisch, fragt sehr höflich, wie es geht und hält eine grüne Flasche wie eine Trophäe in die Luft. Die Brause hier sei der Hammer, verkündet er. Dann folgt ein kleiner Vortrag, in dem häufiger die Worte super, lecker und zitronig vorkommen.

Einerseits ist das natürlich nur sympathisches Vorgeplänkel. Andererseits ist man damit direkt beim Thema. Denn es gibt viele Menschen, die Schweighöfer derzeit völlig ironiefrei als heißesten Eisbrecher der Republik bezeichnen. Auch, weil zum Beispiel die Limo-Sequenz eins zu eins als Werbespot funktionieren würde. Wichtig ist dabei nicht so sehr, was er sagt, sondern vor allem - wie er es sagt.

Wer ein Gespräch mit dem 29-Jährigen führt, glaubt darin wiederkehrende Kommunikationsmuster zu erkennen, die, jedes für sich genommen, echte manipulative Knaller sind. Erzählt er zum Beispiel etwas Lustiges, dann schickt er oft erst ein oder zwei keuchende Lacher hinterher, die ein wenig klingen, als sei er außer Atem. Zündet die Pointe dann, löst sich das Lachen und um den hübschen Mund breiten sich die Grübchen aus wie Ringe auf einem See, in den man einen Stein geworfen hat. Bei längeren Antworten driftet Schweighöfer ins Berlinerische und zurück; und das viele "ick" und "druff" kann sich im Raum verselbständigen, um bald wie eine ehrliche Haut ein ganzes Gespräch zu umhüllen. Manchmal legt er dabei fremden Menschen die Hand auf die Schulter und leitet Sätze mit "mein Lieber" ein. Was verwirrenderweise gleichzeitig "Ich hör dir zu" und "Pass jetzt gut auf" bedeutet.

Deutschland passt schon länger gut auf. Den Namen Schweighöfer liest man nur noch in Kombination mit "einer unserer bekanntesten Schauspieler". Und für ein Interview mit ihm findet sich längst immer irgendein Anlass. Mit 28 Jahren hatte er Friedrich Schiller, Rainer Langhans, Marcel Reich-Ranicki und Manfred von Richthofen gespielt. 2010 war laut Medienberichten ebenso Schweighöfers Jahr, wie 2011 seines werden soll. Er hat erstmals selbst Regie geführt. Fünf Filme sind geplant, vor allem Komödien. Diesen Donnerstag startet "3faltig". Schweighöfer spielt Gottes Sohn, der auf die Erde zurückkehrt, um die Apokalypse zu verkünden. Er heißt Christl, den Heiligen Geist spielt Christian Tramitz. Und es gehört zu den Merkwürdigkeiten des deutschen Kinos, dass diese Information ausreicht, um zu entscheiden, ob man den Film lieben oder hassen wird.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum Matthias Schweighöfer eine der erfolgreichsten Fanseiten der Welt hat.

Internet ist echt krass absurd

Längst sind Arbeit und Wirkung nicht mehr zu trennen. Die selbst ebenfalls nicht wirkungslose Mavie Hörbiger, die in Schweighöfers erstem eigenen Film eine Hauptrolle übernommen hat, beschreibt seine Qualitäten als Regisseur so: "Er hat diese Gabe, dass man nach fünf Minuten alles tun würde für ihn, weil er so mitreißend und herzlich und herrlich ist." Bei Facebook hat diese Gabe dazu geführt, dass Schweighöfer nun eine der 20 erfolgreichsten Fanseiten der Welt hat. Er liegt vor Angelina Jolie. Und als er im vergangenen Oktober feststellte, dass die Seite knapp 300.000 Anhänger hatte, beschloss er, sie zu übernehmen und zu pflegen: "Man muss bedenken, dass da Leute sitzen, die so viel Zeit in einen investieren, sich mit einem beschäftigen", findet er.

Nun hat er eben begonnen, dort Videobotschaften einzustellen. Tenor der aktuellen Grüße: Hey, ihr krassen Knuddelmäuse, als crazy Dank an euch an dieser Stelle ein verspäteter Neujahrsgruß - sorry ist leider schon Anfang Februar - und ein kleiner Tanz von mir. Dann geht Schweighöfer in die Hocke, macht drei Schritte zurück und wieder vor und schlenkert dabei ein bisschen mit den Armen. Kussmund. Cut.

Auf Facebook führt ein solches 45-Sekunden-Video binnen Kürze zu mehr als 8000 Kommentaren, in denen sexy mit fünf "e" und süß mit fünf "ü" geschrieben wird.

Internet, so fasst Schweighöfer zusammen, "ist echt krass absurd".

Einen Menschen zu bitten, seine eigene Wirkung zu erklären, ist vielleicht etwas viel verlangt. Weil das auch hieße, einen Zauber zu zerdenken, der vor allem darin besteht, dass man ihn wohl weder trainieren noch analysieren kann. Aber die seltsamen Erklärungen der anderen zu kommentieren, zu sagen, wie er seine öffentliche Wahrnehmung empfindet, das möchte man von Schweighöfer dann doch gerne wissen. "Matthias will einfach nur eine geile Sau sein", schrieb die Park Avenue zum Beispiel einmal, er sei ein "Filmstar ohne jede Eitelkeit", jubelte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in einem Fanartikel, "Hast du noch Zeit für Geschlechtsverkehr?", hechelte Neon leicht verschwitzt. Warum schreiben Menschen so etwas?

Das sind bloß Äußerlichkeiten

Wenn man Matthias Schweighöfer das vorliest, reagiert er mit zwei seiner amüsierten Keucher. "Na, was die halt so schreiben", sagt er dann, "das sind bloß Äußerlichkeiten." Auf die Geschlechtsverkehrfrage hat er mit "immer rauf auf die Mutti" geantwortet. Das sei auch ein Spiel, manchmal freut es ihn sogar, wenn eine Situation ein bisschen umkippt, "weil ich dann sehen muss, wie ich damit umgehe." Auch in der Öffentlichkeit sei es wichtig, "dass man ehrlich ist. Warum sollte ich mich in einer Show hinstellen, um irgendein Bild zu erfüllen?", fragt er.

Als Schweighöfer vor ein paar Jahren zum ersten Mal an der Berliner Volksbühne probte, nur bekleidet "mit Schlüpper und High Heels", da gab Frank Castorf eine Anweisung, die er sich gemerkt hat. Es gebe jetzt zwei Arten, auf einer solchen Theaterbühne zu stehen, erklärte der Regisseur. Entweder man krümmt sich seitlich weg, sodass die Schulter das Publikum abwehrt und einen Schutzraum für den entblößten Körper bietet. Oder man wirft sich den tausend Zuschauern mit ausgebreiteten Armen entgegen. Da habe er, "als Matthias", eh nur eine Möglichkeit gehabt, sagt Schweighöfer: "Brust raus, Eier raus. Und los!"

Wenn man sich den Zuschauern zu sehr entgegenschmeißt, kann es natürlich auch passieren, dass man vor der ersten Reihe auf der Fresse landet. Er sagt, dass er nachgedacht hat über die Frage, ob er möglicherweise zu viel gibt. "Wenn es so war, merkt man das daran, dass die Löcher danach größer sind."

Er sei Schauspieler geworden, weil das immer seine Art war, sich auszudrücken, erzählt Schweighöfer, "stark zu sein nach der Trennung meiner Eltern", ihnen nachzueifern. Beide sind selbst bekannte Theaterschauspieler. Als Kind pendelte er vor allem zwischen Chemnitz und Berlin, erlebte Proben an den Theatern der DDR. Als er am Gymnasium in Chemnitz die "Dreigroschenoper" gab, forderte er Schulfrei für die Proben und bekam es. Und als man ihm die Hauptrolle in der Verfilmung von Stuckrad-Barres "Soloalbum" anbot, hat er die Schauspielschule in Berlin geschmissen. Er fand es unmöglich, dass die ganze Klasse abstimmen sollte, ob er die Rolle nun übernimmt oder nicht. Und dass es da Schauspiellehrer gab, die ihn noch aus DDR-Zeiten kannten, von den Partys seiner Eltern, und die nun versuchten, ihm ihre Meinung von Theater aufzudrücken, "mich bewusst zu brechen".

Tut mir leid, aber ick muss dann

Er sagt, dass er seinen Abschied dort nicht überheblich fand, dass er keine Diplome braucht, sondern Freiheit, Erfahrungen und Experimente. Seit bald drei Jahren dreht er fast ohne Pause; er wird in "Keinohrhasen3" mit Til Schweiger spielen und als Nächstes einen arbeitslosen Schauspieler, der sich als Frau in Hollywood versucht und dann verliebt - im "Tootsie"-Remake "Rubbeldiekatz" von Detlev Buck. Auch sein erster eigener Film wird eine Beziehungskomödie, Schweighöfer ist Drehbuchautor, Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller.

Es war viel seichte Komödie zuletzt. Oder schweres Historiendrama, wie "Der Rote Baron", in dem Schweighöfer das Fliegerass Manfred von Richthofen spielte. Die Kritiker haben den Film als Schmonzette verrissen, und als Zuschauer wird man den Eindruck nicht los, dass sich die Til-Schweiger-Clique da gerade entsetzlich am preußischen Adel verhebt. Schweighöfer weiß, was an dem Film nicht gut war, aber darum gehe es nicht, findet er. Er hat den Film Tom Cruise gezeigt, beim Dreh zu "Valkyrie", "Der Rote Baron" war ein Erfolg in den USA, und er habe nun auch eine Agentin in L.A. Gute Nebeneffekte seien das.

Und er will viel Publikum. Wenn er mit Schweiger auf Kinotour geht, "und dann sitzen da Tausende Zuschauer in zehn Sälen und alle jubeln, dann ist das auch Kino, dafür muss man Til bewundern", sagt Schweighöfer. Als er für seine Rolle in "Kammerflimmern" ausgezeichnet wurde, und den Film sahen nur 50000 Leute, da hat es ihm fast das Herz gebrochen. Das ist die eine Seite. Die andere ist: Als Schweighöfer kürzlich für eine "Tatort"-Rolle mit Lob und Preisen überhäuft wurde, da meldete er sich persönlich bei einem Kritiker, um sich zu bedanken.

Bald werde er auch in seiner kleinen Produktionsfirma mehr auf dramatische Stoffe setzen, erklärt er.

Am Ende tippt er einem sanft an die Schulter und sagt: "Tut mir leid, aber ick muss dann, war doch ein super Gespräch." Er gibt einem höflich die Hand, zieht seinen Mantel an und geht vorbei an den vielen Menschen, die nun im Bistro zu Mittag essen und keine erkennbare Notiz von ihm nehmen. Dann verschwindet Matthias Schweighöfer im Berliner Winterregen. Ein schmaler, blonder, mittelgroßer Junge in einem dunklen Mantel. Und die graue Stadt da draußen kriegt schon wieder weiche Knie.

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