Schauspiel:Irre sind wir alle

Pension Schöller Theater Wasserburg

Uwe Bertram in nachdenklicher Machtlosigkeit gegenüber Annett Segerer.

(Foto: Christian Flamm)

Hier spielt der Intendant selbst: Uwe Bertram ist am Theater Wasserburg in Nik Mayrs rasanter Inszenierung von "Pension Schöller" zu sehen

Von Egbert Tholl

Vor langer Zeit, die im Gedächtnis noch gar nicht weit zurückliegt, stand Uwe Bertram auf der Bühne des Bayerischen Staatsschauspiels (heute Residenztheater). Er spielte zum Beispiel im "Woyzeck", in der "Lulu" und in "Einer flog über das Kuckucksnest", war von 1999 bis 2001 dort fest engagiert, ging dann mit Elisabeth Schweeger nach Frankfurt, spielte später noch zwei Mal unter Andrea Breth, auch bei den Salzburger Festspielen - und wurde dann irgendwann Intendant des Theaters Wasserburg. Bertram verlegte sich aufs Inszenieren, mit großartigem Erfolg. Und ließ sich nun von Nik Mayr überreden, in dessen Inszenierung des anarchischen Faschingsscherzes "Pension Schöller" mitzuspielen. Verlernt hat Uwe Bertram nichts. Er spielt den Philipp Klapproth, Gutsbesitzer aus der Uckermark auf Besuch in der großen Stadt bei seinem Neffen Alfred. Der Anlass: Etwas erleben, womit man daheim angeben kann. Bertram verkörpert diese Sehnsucht mit großem Staunen und beträchtlicher Neugierde, ein großes, warmes Wesen mit einer Prise Henry Hübchen und der präzisen Gelassenheit großer Erfahrung. Und man hört ihm irrsinnig gerne zu.

"Pension Schöller" ist ein 130 Jahre alter Knaller mit einer tollen Idee: Klapproth erkundet mit Alfred die Pension Schöller, die vielleicht ein Irrenhaus ist, vielleicht auch nicht, auf jeden Fall von speziellen Menschen bewohnt wird. Wieder zu Hause kriegt Klapproth Besuch von den (vermeintlichen) Irren, und am Ende weiß niemand mehr, wer hier spinnt. Vor allem nicht nach der Wasserburger Aufführung. Nik Mayer inszeniert den Schwank hochmusikalisch, perfekt rhythmisiert, sehr rasant und nie derb oder grob. Hier haut man sich nicht auf die Schenkel, Zeit dazu ist ohnehin nicht, hier lacht man fein auf dem Niveau höherer Erkenntnis und Virtuosität. Über Rosalie Schlaghecks Sprachjonglage zu Beispiel. Oder über Regina Alma Semmlers, Susan Heckers und Annett Segerers listige Frauenmacht. Herrlich verschroben ist Hilmar Henjes, von raumfüllender Wucht Mario Eck als durchgeknallter Major.

Vage im Gedächtnis hat man eine legendäre "Pension Schöller"-Inszenierung von Castorf, in der, wenn die Erinnerung nicht trügt, sehr viel Kartoffelsalat eine Rolle spielte. So etwas braucht Nik Mayr nicht. Er braucht drei Sitzgruppen, ein bisschen Musik - und mit Verve sausen die Darstellenden durch das sehr klug gekürzte Stück. Bis man über das nachdenken kann, ist es schon vorbei.

Pension Schöller; Theater Belaqua in Wasserburg, wieder am 23. November und dann immer wieder bis Ende Februar

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