Schauspiel:Ein Leben in 31 Momenten

JFK

Der charismatische US-Präsident und sein Darsteller: Alejandro Marco-Buhrmester als John F. Kennedy in David T. Littles Oper "JFK" in Augsburg.

(Foto: Jan-Pieter Fuhr)

Das Theater Augsburg zeigt ein musikalisches Porträt von John F. Kennedy - die Oper "JFK" rekonstruiert die letzten Stunden vor dem Attentat und macht klar: Ohne Jackie läuft gar nichts

Von Ekaterina Kel

Was wäre der Mann ohne seine Frau? So könnte der Untertitel der Oper "JFK" des amerikanischen Komponisten David T. Little lauten. Sein Librettist Royce Vavrek und er haben 2016 ein Werk über den 1963 ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy (JFK) geschaffen, am vergangenen Sonntag war in Augsburg die europäische Erstaufführung zu sehen. Die eigentliche Hauptfigur des Abends hieß allerdings nicht JFK. Das Stück arbeitete sich am Seelenleben der First Lady ab, Ehefrau des Präsidenten, Stil-Ikone und Hutwunder Jacqueline "Jackie" Kennedy.

Auch im echten Leben interessierte sich ironischerweise die breite Öffentlichkeit öfter für Jackie Kennedys neuestes Outfit als für JFKs politische Entscheidungen im Kalten Krieg. Passenderweise überstrahlt auch Jackies Partie die ihres männlichen Gegenparts, ihre Auftritte spannen den erzählerischen Bogen. Kate Allen, seit vergangenem Jahr Ensemblemitglied in Augsburg, ist die perfekte Besetzung für die Rolle der leidenschaftlichen, zerrissenen Frau. Ihr Mezzosopran hat eine große Präsenz, sie kann sowohl Wärme und eisige Kanten, erreicht intime Tiefen und strahlende Ausbrüche in die Höhen. Ihre Darstellung überbietet mit Leichtigkeit den daneben etwas farblos klingenden Alejandro Marco-Buhrmester als John F. Kennedy.

Die Geschichte ist bekannt. Am 22. November 1963 wurde JFK während einer Fahrt im offenen Wagen im texanischen Dallas mit Gewehrschüssen getötet. Seine Frau saß neben ihm, ihr rosafarbenes Chanelkostüm war danach mit Blutspritzern ihres Mannes benetzt. Sie trug es auch Stunden später noch. So viel Symbolkraft sprengt den Alltag eines Normalsterblichen.

Komponist und Librettist, die zur Premiere angereist sind, um Roman Hovenbitzers Inszenierung zu erleben, verzichten auf eine chronologische Erzählung und konzentrieren sich auf das Symbolische, das sich geradezu aufdrängt - um noch einen draufzusetzen: "JFK" war ein Auftragswerk für das Opernhaus von Fort Worth, dem Ort, an dem die Kennedys ihre letzte Nacht verbracht haben.

Die Handlung spannt sich über 31 "Momente", die sich teils als Erinnerungen, teils als Träume in der Nacht vor der Ermordung abspielen. Da kommt auch John F. Kennedys Schwester vor, die nach einer Gehirnoperation nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, oder der damalige Sowjetherrscher Nikita Chruschtschow, der JFK mit Atombomben droht. Zusätzlich erinnert die Oper daran, dass Jackie Kennedy zwei Kinder verloren hatte, ihr ach so toller politischer Hoffnungsträger von Mann sie mit verschiedenen Frauen betrogen hat, dass er drogen- und morphiumsüchtig war, ständig von Schmerzen geplagt.

David T. Little komponierte ein facettenreiches Stück. Anfänglich mit eindrucksvollen Dissonanzen und schaurigen Glissandi versehen, überzeugt die Musik mit stilistischer Klarheit. Später fliegt sie Little allerdings um die Ohren, wenn er nur noch plakativ illustriert: Die Szene von Jackie und JFK, die sich verloben, verkommt zum Musical-Kitsch mit Harfe und Klavier. Auch die Cowboy-Sequenz mit dem aufdringlichen Machogehabe des Vizepräsidenten Lydon B. Johnson (leider kaum hörbar: Irakli Gorgoshidze) dauert quälend lange und wartet musikalisch und szenisch mit plumpen komödiantischen Effekten auf. Insgesamt aber ist die Komposition erfreulich reichhaltig und Lancelot Fuhry dirigiert gekonnt nicht nur seine Philharmoniker, sondern auch den Opernchor, den Extrachor und die sehr süßen Augsburger Domsingknaben.

Das klingt nach voller Bühne. Und genauso sieht es auch aus in der Halle im Augsburger Martini Park. Die Ausstatterin Natalia Orendain del Castillo und der Videokünstler Paul Zoller manövrieren das Geschehen durch bewegliche weiße Trennwände, auf die wahlweise historische oder neu produzierte Videoaufnahmen vom echten JFK und seinem Bühnenvertreter Alejandro Marco-Buhrmester projiziert werden. Das ist nicht nur hübsch anzusehen, es hinterlässt auch den Eindruck eines in sich stimmigen Abend.

JFK, nächster Termin: Do., 28. März, 19.30 Uhr (Einführung: 19 Uhr), Augsburg, Martini-Park, Provinostr. 52

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