Süddeutsche Zeitung

Schauspiel Düsseldorf:Dafür ist das Theater gemacht

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Zum Fünfzigsten des Düsseldorfer Schauspielhauses, das Christoph Ingenhoven reanimiert hat, gibt es Bertolt Brechts "Leben des Galilei", mit Burghart Klaußner in der Hauptrolle.

Von Martin Krumbholz

Es feiert seinen Fünfzigsten mit Festakt und breitem Jubiläumsprogramm: das von Bernhard Pfau gebaute Schauspielhaus, das als eine der Stilikonen der Nachkriegsmoderne gilt und auf das Düsseldorf beinahe so stolz ist wie auf seine berühmte Königsallee. Im Januar 1970 musste die Eröffnung von berittener Staatsmacht gegen eine Armada protestierender Studenten verteidigt werden, die, ohne Sinn für die Erhabenheit des Objekts, darin nur eine Stätte bourgeoiser Selbstfeier auf Kosten des Steuerzahlers sahen. Eine gewisse Süffisanz vermochte Ministerpräsident Armin Laschet in seiner Festrede nicht zu verhehlen, als er einige der heftigen Parolen von damals zitierte, etwa die, man möge den sündteuren Musentempel unverzüglich in eine "Nervenheilanstalt" umwidmen.

Die Zeiten haben sich geändert. Hatte der Bau seinerzeit 40 Millionen D-Mark verschlungen, verbucht man heute rund 60 Millionen Euro für die Generalsanierung. Die nicht abgeschlossen ist, obgleich das Theater seit Saisonbeginn wieder bespielt wird: Von einer "Wiedereröffnung" war ausdrücklich nicht die Rede, als die Festgäste diesmal eintrafen, übrigens ohne Trillerpfeifenbegleitung, dafür persönlich begrüßt vom Intendanten Wilfried Schulz, der wie ein Pfarrer glücklich an der Pforte seines Hauses stand. Immerhin klafft auf dem Gustaf-Gründgens-Platz vor dem Theater keine entsetzliche Baulücke mehr, die Eingangssituation wurde komplett verändert, ein stets provisorisch wirkender Windfang durch einen separat platzierten Kassenpavillon ersetzt, und drinnen strahlt alles förmlich vor LED-Tafeln, gesäubertem Mosaikfußboden und anderem zeitgemäßen Empfangskomfort.

Selten geworden in Deutschland: Die Sanierung blieb im Rahmen

Der Architekt Christoph Ingenhoven, ein durchaus charismatischer Mann im besten Alter (Jahrgang 1960), verkörpert in seiner Person die Symbiose (oder die Opposition) von Kunst und Kommerz: Er verantwortet die dem Theater gegenüber neu gebaute, vorläufig noch recht bunkermäßig wirkende Shoppingmall ebenso, wie er die sanfte Modernisierung des Schauspielhauses im Geist dessen Erfinders betreut. Während die alte Bebauung des Gründgens-Platzes abgerissen war und darunter eine neue Tiefgarage errichtet wurde, konnte man eine Zeitlang von der Schadowstraße her das Theater mit seiner ausladenden Gestalt vor dem Hofgarten liegen sehen. Nun hat sich wieder ein Riegel dazwischengeschoben, eben der sogenannte "Köbogen II", auch Ingenhovental genannt. Das Areal mit dreizehn einzelnen Läden soll im Herbst eingeweiht werden.

Das dem Hofgarten zugewandte Foyer des Theaters indessen hat entschieden gewonnen: Die geschlossene Außenwand wurde durch eine großzügige Glasfront ersetzt. Das Foyer soll künftig auch tagsüber zugänglich sein. Restaurant und Kantine wurden umgestaltet, überhaupt die gesamte Infrastruktur des Hauses den heutigen Erfordernissen angepasst. Ministerpräsident, Oberbürgermeister und Intendant wiesen in ihren Festreden darauf hin, sämtliche Sanierungsmaßnahmen seien im Rahmen geblieben.

Bei so viel Grund zum Jubel durfte eine festliche Premiere nicht fehlen. Es gab Bertolt Brechts "Leben des Galilei", eine Parabel über den Konflikt von Aufklärung, Ethos und Selbstliebe, in dem der Mathematiker, Astronom und Sinnenmensch Galileo Galilei beinahe zerrieben wird. Indem er die unerhörte These des Kopernikus, die Erde sei nicht der Mittelpunkt der Welt, empirisch beweist, bringt er den Klerus und womöglich auch die Bauern in der Campagna gegen sich auf - am Schluss, als man ihm die Instrumente zeigt, widerruft er. Das sei menschlich, zeigt Brecht, aber doch schade. Dem wird man beipflichten, fragt sich aber auch, welche darüber hinausgehende exklusive Erkenntnis, vom Aufklärungspathos abgesehen, der ungemein wortreiche Text zutage fördern mag. Und ob und wie man ihn heute auf die Bühne bringen soll.

Eine wirkliche Antwort darauf findet Lars-Ole Walburgs solide Inszenierung nicht. Olaf Altmanns wuchtige Bühnenmetapher zeigt lediglich ein riesiges Rohr, das zugleich als Lichtschneise dient. Die Sonne scheint durch dieses Rohr auf die Bühne zu fluten, doch außerhalb des so produzierten Lichtkegels gibt es viel Schatten. Ähnlich minimalistisch bietet Matthias Herrmann Hanns Eislers Musik, mit nur einem verstärkten Cello, dar.

Es ist die schauspielerische Klasse und Autorität von Burghart Klaußner, die dem Abend ein gewisses Format gibt. In aller Ruhe und Souveränität, ohne je zu forcieren, selbstbewusst und liebenswert, ist dieser Galileo Galilei in der Gestalt des schlicht und heutig gekleideten Klaußner kein Mensch wie du und ich - er ist uns überlegen. Und doch ist auch er auf die Milch angewiesen, die der Milchmann bringt oder auch nicht, und auf die Gunst seiner mürrischen Haushälterin, Frau Sarti (Rosa Enskat). Deren Sohn Andrea, auffallend pfiffig im Kleine-Jungs-Kostüm gespielt von Lea Ruckpaul, verkörpert die aufgeklärte Zukunft, in der selbst der Vatikan eingesehen hat, dass die Erde und darauf der Stuhl Petri leider Gottes nicht das Zentrum der Schöpfung bilden. Klaußner jedenfalls sieht man gerne zu und denkt sich womöglich: Dafür ist das Theater gemacht.

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SZ vom 20.01.2020
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