Süddeutsche Zeitung

Schauplatz Zürich:Langeweile mit Transaktionssteuer

Es gibt Gesprächsbedarf: Das Theaterhaus Gessnerallee hat Marc Jongen eingeladen, den Kunstdenker der AfD.

Von charlotte Theile

Im Theaterhaus Gessnerallee, einem lang gezogenen früheren Militärgebäude in der Nähe des Zürcher Hauptbahnhofs, gibt es derzeit Anlass für Gespräche. Grund ist eine Einladung, die vom Haus an Marc Jongen ausgesprochen wurde, er gilt als der Hausphilosoph der AfD. Sie wird von vielen Schweizer Linken, die das Theaterhaus mehrheitlich besuchen, als Skandal empfunden - auch weil Jongens Gegenspieler hier sonst eher linksliberal sind. Das Haus an der Sihl zieht junges, alternatives Publikum an, es gibt Sandwiches und Bier, dazu ein Stück, das "LSD-Chic" verspricht.

Ein Abend Ende Februar, politisch ist alles auf Linie. In "Unschuldig im Glitzerwald" schreien sich vier weiße Männer an, weil sie privilegiert, zynisch und reich sind, manchmal läuft dazu Techno. Wenn es nicht gegen die Schweizer Rechtspopulisten geht, wird die Frage aller Fragen gestellt: Wer ist jetzt eigentlich schuld daran, dass es Menschen anderswo auf der Welt schlecht geht, dass sie unter gefährlichen Bedingungen arbeiten müssen, keine Perspektive haben? Die Antwort, natürlich: wir alle. Diejenigen, die sich schuldig fühlen und am liebsten die ganze Welt retten würden, sind verantwortlich und auch jene, die sich entschieden haben, "im Nahbereich" ein netter Mensch zu sein. Etwa, indem man dem Nachbarn hilft, der im Treppenhaus zusammengebrochen ist. Es kann ja so einfach sein. Dann wieder Elektro-Bums und Publikumsbeschimpfung: "You have heard of Blowjobs? Well, you, well, maybe not."

Sie wissen was Blowjobs sind? Vielleicht nicht. Asuperheroscape, eine Zürich-Berlin-Connection, steht hinter diesem Stück. Zum Schluss versuchen die Macher, eine Art Lösung für die Weltprobleme anzubieten. Es geht um Transaktionssteuern und linksaktivistische Maßnahmen. Wer gerade noch über Weltretter gelacht hat, die ihre Frau mit der indischen Yoga-Lehrerin betrügen, muss jetzt sehr stark sein.

Der Transaktionssteuermonolog dauert einige endlos langweilige Minuten. Dafür stehen die Macher und das Theater am Schluss aber ganz sicher auf der richtigen Seite. Ähnlich langweilig zeigt sich das Haus dann auch hinsichtlich der Einladung des AfD-Philosophen Marc Jongen: Man will nun erst einmal eine Podiumsdiskussion abhalten und darüber diskutieren, ob dieser Abend nicht doch besser abgesagt wird.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2017
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