Schauplatz Stockholm:Genderneutrales Schneeschaufeln

Der Verkehrsausschuss der Stadt möchte Werbung verbieten, die sexistisch oder rassistisch ist. Die Frage bleibt, wie man und wer darüber entscheiden soll, was diskriminiert und was erlaubte Ausdrucksfreiheit ist.

Von Silke Bigalke

Es hängt ja nicht nur Werbung an den Stockholmer Haltestellen, sondern auch Kunst. Zum Beispiel hängen dort immer noch die Bilder von Liv Strömquist, Zeichnungen von Vögeln und anderen Tieren, von Bäumen und von Frauen, die sich beim Schlittschuhlaufen verrenken. Die Bilder sind schwarz-weiß, nur zwischen die Beine der Schlittschuhläuferinnen hat Strömquist knallrote Flecken gemalt. Die Pendler reagierten mit gemischten Gefühlen, nicht alle wollten in der U-Bahn an ihre Periode erinnert werden. Die Bilder blieben natürlich trotzdem. Die Künstlerin beschäftigt sich häufig mit feministischen Themen. Ihre Zeichnungen sollen den menschlichen Körper feiern, wie er ist.

Bilder, die menschliche Körper zu Objekten machen, könnten dagegen schon bald von den Stockholmer Straßen verbannt werden. Der Verkehrsausschuss der Stadt möchte Werbung verbieten, die sexistisch oder rassistisch ist. Wie man das entscheidet, darüber wird in Schweden schon länger diskutiert. Seit 2009 gibt es einen Ombudsmann für Reklame, finanziert vor allem von der Werbewirtschaft. Er kann Werbung als sexistisch anprangern, aber keine Sanktionen verhängen. Der Verkehrsausschuss dagegen will Unternehmen zwingen können, sexistische Werbung innerhalb von 24 Stunden abzuhängen. Der Stadtrat muss noch abstimmen.

Also keine Fotos mehr von Frauen, die sich auf Kühlerhauben räkeln, signalisieren, dass sie mit jedem Mann ins Bett springen würden, wenn der nur das richtige Aftershave benutzt oder sich lasziv in Dessous zeigen. Die Frage bleibt nur, wie man objektiv darüber entscheiden kann, was diskriminiert und was erlaubte Ausdrucksfreiheit ist. Der schwedische Ombudsmanns hatte 2016 einen Werbespot auf die schwarze Liste gesetzt, in dem das Model Gigi Hadid in tief ausgeschnittenem Kleid BMW fährt. Die Frau werde darin als Sexobjekt dargestellt, so das Urteil. Einen Volvo-Spot mit Zlatan Ibrahimović dagegen hatte das Gremium durchgehen lassen, man sieht den Fußballstar da von hinten, wie er mit nacktem Oberkörper und tief sitzender Hose Klimmzüge macht.

Schwedische Werbung hat in letzter Zeit ohnehin Schlagzeilen gemacht. Da war der dunkelhäutige Junge mit dem grünen H&M-Pulli, auf dem "Coolest Monkey in the Jungle" stand. Rassistisch, da waren sich alle einig. Oder Ikea: Anfang des Jahres hat das Möbelhaus Frauen dazu aufgefordert, auf die Anzeige in einem Frauenmagazin zu pinkeln. Darin war ein Schwangerschaftstest eingebettet. Bei positivem Ergebnis erschien wie von Zauberhand ein neuer, reduzierter Preis für das Kinderbettchen, das beworben wurde. Es hat sich niemand darüber beschwert, dass die Anzeige diskriminierend sei. Man kann sich auch fragen, wer Rabatt für ein Bettchen braucht, wenn er kein Kind bekommt.

Der Chef des Verkehrsausschuss, Daniel Helldén von den Grünen, setzt sich seit langem für den Bann sexistischer Werbung aus dem Stadtbild ein. Er hat auch auf anderen Wegen versucht, Stockholm frauenfreundlicher zu machen, hat etwa das genderneutrale Schneeschaufeln eingeführt. Dabei sollen erst Bürgersteige und Radwege geräumt werden, danach die Straße. Im letzten Winter, als es viel geschneit hat, endete das im Chaos. Dieses Jahr hält sich der Schneefall in Grenzen.

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