Schauplatz Paris:Geschichte im Kleinformat

Der Fernsehstar Stéphane Bern hat eine Geschichte Frankreichs am Beispiel der Briefmarke geschrieben. Der Vereinigung französischer Geschichtslehrer gefällt das gar nicht, denn die Bilder zeigen vor allem Adelige und Könige.

Von Joseph Hanimann

Wie viel französische Geschichte passt ins Format einer Briefmarke? Am besten kann da Stéphane Bern, der Journalist, Rundfunk- und Fernsehmoderator mit dem immer fröhlichen Lausbubengesicht Auskunft geben. Seine Antwort hat in Paris aber gerade eine Kontroverse entfacht. "Zeit der Könige - Die Geschichte Frankreichs anhand von Briefmarken erzählt" heißt ein Büchlein von ihm, das jungen und älteren Lesern eine Porträtgalerie der einstigen Herrscher im Briefmarkenformat vorführt. Der 55-jährige Bern ist im Land des revolutionären Königsmords der berühmteste Vermittler alter und aktueller Adelsgeschichten. Anekdotenreich breitet er in seinem neuen Buch das Leben Karls des Großen, Ludwigs des Heiligen, Heinrichs IV., Ludwigs XVI. und anderer Gestalten aus der Valois- und der Bourbonendynastie aus. Am besten mache man die jungen Leute mit der weit zurückliegenden Geschichte vertraut, indem man sie ihnen als Schicksalswege und Leidenschaften von Wesen aus Fleisch und Blut präsentiere, erklärt er zu seinem Werk - "und wer tut das schon, wenn nicht ich, wo man heute die Geschichte nur noch als eine Sache von Statistiken und Geistesbewegungen behandelt?". Dank eines Beitrags des französischen Briefmarkensammlervereins werden 50 000 Exemplare des Buchs gratis an alle interessierten Grundschullehrer des Landes verteilt.

Die Vereinigung der französischen Geschichtslehrer ist über die Initiative nicht sonderlich entzückt, will aber auch nicht gleich den Nörgler spielen. Berns Unternehmen sei sympathisch, doch bestehe die Geschichte Frankreichs nicht allein aus Königshäuptern, wendet Christine Guimonnet ein, die Generalsekretärin jener Vereinigung. Die jeweiligen Königsdarstellungen müssten aus der Distanz historisch erklärt werden, um nicht als idealisierte Abziehbilder der Vergangenheit zu erstarren.

Das genau ist aber die Spezialität des Medienstars Stéphane Bern, der bei allen mondänen Ereignissen aus den europäischen Adelshäusern in den Sendestudios als Experte amtiert und mit seinen populären Fernsehsendungen über alte Schlösser, Kirchen und Dörfer Zehntausende von Zuschauern vor den Bildschirm lockt. Er ist mit seinem quirligen, direkten, mitunter leicht frechen Auftreten die ideale Kontrastfigur zum Protokoll der höfischen Großereignisse und zur Ernsthaftigkeit der Denkmalpflege. Dieses Image veranlasste im vergangenen Jahr den Staatspräsidenten Emmanuel Macron dazu, ihn als Bevollmächtigter für Denkmalschutz zu ernennen und mit der Einführung einer Lotterie nach englischem Vorbild für diesen Zweck zu betrauen. Im Sommer schimpfte der neue Denkmalschützer dann laut über die Trägheit des Staatsapparats und drohte mit Rücktritt. Als an diesem Montag der Haushaltsminister im Parlament öffentlich gestand, dass die Steuern auf die rund 20 Millionen Euro aus der neuen Denkmallotterie nicht den Monumenten, sondern dem Staatshaushalt zufließen würden, twitterte Bern sofort zurück: "Nichts da! Alles für die alten Bauten bis zum letzten Cent!". Sein forsches Temperament hält die gern etwas schnurrende Geschichtsverliebtheit der Franzosen in Trab und bewahrt seine Briefmarkenkönige vor der Einfalt der Idylle.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: