Schauplatz Oslo:Knauseriger Knausgård

In Skandinavien gibt es es staatliche Stipendien für Schriftsteller, mit denen sie mehrere Jahre ungestört arbeiten können. In Norwegen wird nun debattiert: Ist es unsolidarisch, wenn sich ein international gefeierter Bestsellerautor darum bewirbt?

Von Kai Strittmatter

In einer Zeit, in der Künstlern und Schriftstellern die Einnahmen wegbrechen, sind auch in den nordischen Ländern die Verteilungskämpfe schärfer geworden. Genauer hingeschaut wird gerade auch bei den Praktiken der Stipendienvergabe. In Stockholm erklärte die Schwedische Akademie, sie werde sofort Mittel in Höhe von umgerechnet 460 000 Euro ausschütten, die schwedischen Schriftstellern und Übersetzern zugutekommen sollen, etwa in Form von Arbeitsstipendien. "Jetzt ist nichts mehr normal", sagte Mats Malm, der Sekretär der Akademie.

In den Genuss der Mittel der Schwedischen Akademie kommen alljährlich nicht nur schwedische Autoren, neben dem Literaturnobelpreis vergibt die Akademie alljährlich auch den "Nordischen Preis" an einen herausragenden Schriftsteller aus den nordischen Ländern. Im letzten Jahr hatte Karl Ove Knausgård, der berühmte Autor eines weltweit gefeierten autofiktionalen Romanzyklus, den mit 400 000 Schwedischen Kronen (37 000 Euro) dotierten Preis mit nach Hause nehmen dürfen.

Um Knausgård nun entwickelte sich in Norwegen eine Kontroverse, als der norwegische Schriftstellerverband Ende März die Vergabe seiner diesjährigen Stipendien bekannt gab. 247 Autoren hatten sich um ein mehrjähriges Arbeitsstipendium beworben, 16 wurden ausgewählt; und derjenige, der nun am längsten unterstützt wird, ist ausgerechnet Karl Ove Knausgård. Er erhält nach der Entscheidung der Jury nun drei Jahre lang umgerechnet knapp 25 000 Euro, damit er sich ausschließlich dem Schreiben widmen kann.

Der Schriftstellerverband verteidigt sich: Es gehe um künstlerische Qualität, nicht um die finanzielle Lage des Schriftstellers

Knausgårds Kollegen rieben sich die Augen. "Ist das ein Aprilscherz, lieber Schriftstellerverband?" schrieb der 41-jährige Autor Rune Salvesen auf Facebook. Und es erhob sich eine große Debatte über Sinn und Zweck der Autorenstipendien, vor allem aber darüber, ob nun ausgerechnet Norwegens erfolgreichster Autor der richtige Adressat des Geldes ist. Vor allem jüngere Autoren übten Kritik, und während sich alle vor Knausgårds Werk und Lebensleistung verneigten, so äußerten sie doch große Zweifel an der Bedürftigkeit des Bestsellerautors. Die 29-jährige Autorin Maria Kjos Fonn nannte auf Twitter Knausgårds Bewerbung "unsolidarisch".

Der Schriftstellerverband verteidigte sich, entscheidendes Kriterium der Auswahl der Stipendiaten sei die künstlerische Qualität, nicht die finanzielle Lage des Schriftstellers. Außerdem sei ein bekannter Autor nicht unbedingt einer, dem es finanziell gut gehe, sagte Heidi Marie Kriznik, Leiterin des Verbandes der Zeitung Klassekampen. Man darf allerdings davon ausgehen, dass es Knausgård besser geht als den meisten seiner Kollegen: Kurz vor dem Stipendium hatte er auch noch den mit umgerechnet 67 000 Euro dotierten Hans-Christian-Andersen-Preis der dänischen Stadt Odense erhalten. Der heute abwechselnd in London und Schweden lebende Knausgård äußerte sich bislang nicht öffentlich.

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