Schauplatz New York:Bloomberg rennt nicht, de Blasio schon

Der ehemalige Bürgermeister will das Land nun doch nicht mit seiner Kandidatur vor Trump retten. Er sieht sich chancenlos. Sein Nachfolger zeigt da sehr viel mehr New Yorker Sportgeist.

Von Peter Richter

Politisch kann man den Satz ja nachvollziehen, aber sportlich? "Bloomberg doesn't run", hieß es am Montagnachmittag, der ehemalige Bürgermeister von New York tritt nun also doch nicht in den Kampf um die Präsidentschaft ein, und zwar weil sonst automatisch Trump das Rennen mache. Gar nicht erst anzutreten, weil deshalb ein anderer gewinnen würde, ist nun nicht direkt die Art von Vorgehen, für die New York berühmt geworden ist.

Schade ist es außerdem, weil es interessant geworden wäre, wenn Bloomberg als Präsident seine strengen New Yorker Sitten auch im Wilden wie vor allem im Mittleren Westen eingeführt hätte: Cola bitte nur in kleinen, also nicht kanistergroßen Flaschen verkaufen, denn zu viel Zucker ist ungesund, statt Pick-up-Truck empfehlen wir das Leihfahrrad, und die Pistole da in ihrer Hosentasche, die geben Sie mal bitte ganz schnell bei der Polizei ab. Als Westeuropäer kann man das nachvollziehen, aber als Amerikaner?

Bloombergs Nachfolger Bill de Blasio ist auch in dieser Beziehung das komplette Gegenteil. De Blasio rennt nämlich sehr wohl. Vielleicht sitzt er auch ein wenig auf der Rudermaschine oder hebt Hanteln. Das kann man nachprüfen. Erst diesen Montag hielt wieder um halb zehn Uhr morgens der schwarze Cadillac Escalade vor dem YMCA auf der 9th Street in Brooklyn, ein paar Leibwächter nahmen streng Aufstellung, und der Bürgermeister kramte im Kofferraum nach der Sporttasche.

Das YMCA, die Young Men's Christian Association, ist heute in New York - was auch immer Village People mit dem gleichnamigen Schlager für Vorstellungen in die Welt gesetzt haben mögen - eine kommunale Fitnessstudiokette für Familien, und die in der 9th Street hat weit und breit das einzige Schwimmbecken in Brooklyn. Kann auch sein, dass de Blasio schwimmt. Oder bei den Senioren mitturnt oder den Kleinkindern. Es war nicht rauszukriegen, und der Berichterstattende war immerhin diesen Montagmorgen direkter Spindnachbar seines Bürgermeisters. Vor dem Umkleideraum standen zwei Leibwächter, aber drinnen hätte man mit ihm machen können, was man will, Selfies im Unterhemd, über den städtischen Winterdienst maulen oder de Blasio, während er sich die Hosen hochzieht, mit einem fröhlichen "Sind Sie nicht Mr. Bloomberg?" erfreuen.

Macht natürlich keiner, nicht in Brooklyn, nicht im YMCA. Dass de Blasio, der früher hier in der Gegend zu Hause war, jetzt in der Bürgermeistervilla Gracie Mansion auf der Upper East Side wohnt und werktags um halb zehn bestimmt auch im Rathaus gut was wegzuregieren hätte, trotzdem mehrmals in der Woche stur zum Sport hierher fährt, sorgt in der Stadt schon lange für Verblüffung, manchmal auch für Verstimmung.

Aber mit der Gesundheit hält er es offensichtlich genauso streng wie sein Vorgänger, wendet die Strenge nur eher auf sich selber an, und die Wirtschaftsdaten der Stadt sind gut genug, dass er vormittags blaumachen kann, obwohl viele hier zu de Blasios Amtsantritt das Gegenteil vorausgesagt hatten, nicht zuletzt sein spezieller Freund Bloomberg. Auch ist die Stadt noch nicht gänzlich in Chaos und Gewalt versunken, obwohl de Blasio das grimmige Law-and-Order-New York, das sein Vorgänger ihm hinterließ, praktisch in den Zustand der offenen Anarchie überführt hat: Betrunkene, die gegen einen Baum pinkeln, werden von der Polizei nur noch gemaßregelt, aber nicht mehr verhaftet.

Nicht zuletzt belegen die Vormittage im Brooklyner YMCA, dass auch de Blasio etwas hat, was seine Kritiker ihm bislang absprachen, nämlich einen Sinn für Kultur. Vielleicht nicht gleich Hochkultur, gar Kunst, wie der Milliardär Bloomberg sie so schätzte, aber immerhin volksnahe Körperkultur. Vielleicht sollte de Blasio links von Bernie Sanders ins Rennen um die Präsidentschaft eintreten, damit Hillary Clinton gewinnt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: