Schauplatz Jerusalem:Das Schicksal der Kinder

In der Jerusalemer Gedenkstätte Jad Vaschem eröffnet eine bewegende Ausstellung über die Kinder im Holocaust, mindestens ein Jahr lang wird sie zu sehen sein. "Sterne ohne Himmel" lautet der Titel.

Von Peter Münch

Ein Kind war sie noch, und so viel Verantwortung hatte sie schon zu schultern: "44 Kinder lebten damals in unserem Heim", sagt Tzipora Isboutsky, "und keiner durfte wissen, dass 37 davon jüdisch waren." Draußen tobte der Krieg, die Nazis hatten Frankreich besetzt und die meisten Juden schon deportiert. Doch in Chamonix hatten wenigstens ein paar Kinder Unterschlupf gefunden. "Ich war die Gruppenführerin bei den Mädchen", sagt Tzipora Isboutsky - und deshalb war auch dieses Büchlein in ihrem Besitz, das heute in der Vitrine neben ihr ausgestellt wird. Es sind die Pfadfinderregeln, erklärt sie, "es geht darin um die Erziehung zum Menschbleiben".

Ihr Büchlein aus finsteren Zeiten ist Teil einer in dieser Woche eröffneten Sonderausstellung in der Jerusalemer Gedenkstätte Jad Vaschem. Sie konzentriert sich auf das Schicksal der Kinder im Holocaust, mindestens ein Jahr lang wird sie zu sehen sein. "Sterne ohne Himmel" lautet der Titel - und gedacht wird der 1,5 Millionen Kinder, die in der Schoah getötet wurden.

Es geht darum, die Geschichten der unfassbar vielen Toten und der wenigen tausend Überlebenden dem Vergessen zu entreißen. 33 Säulen stehen in der Ausstellung, sie symbolisieren einen Wald, und jeder Baum trägt nicht nur eine persönliche Überlebensgeschichte, sondern steht auch für ein zentrales Thema: Lernen, Spielen, Feiern, Familie und Freundschaft - all das also, was in normalen Zeiten das Kinderleben ausmacht, aber in der Holocaust-Zeit in einen komplett anderen Kontext geriet.

Da ist die Geschichte von Elijahu Rozdzial, geboren 1931, der sich allein im Wald versteckte und berichtet, wie er dort mit den Bäumen in aller Einsamkeit seine Bar Mitzwa zelebrierte. Oder die Geschichte von Jakov Goldstein, geboren 1935, den eine Familie in Warschau gegen Bezahlung auf ihrem Dachboden versteckte. Fast zwei Jahre verbrachte er liegend in dem engen Verschlag. Die Tochter des Hauses versorgte ihn mit Büchern. "Das war mein einziger Trost", sagt er. Er hat überlebt und brachte es zum Geschichtsprofessor in Haifa.

Am Ende der Ausstellung drängen sich in einer größeren Glasvitrine Puppen, Teddybären und Kuscheltiere. "Auf den ersten Blick sieht es nach vielen Spielsachen aus", sagt die Kuratorin Jehudit Inbar. "Aber wenn man an 1,5 Millionen getötete Kinder denkt, dann sieht man, wie wenig geblieben ist."

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