Schauplatz Berlin:Wie man sich nicht verdrängen lässt

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Klaus Lederer diskutierte im Haus der Berliner Festspiele mit Vertretern der Kunstszene über Stadtentwicklung. Und siehe da: Es gibt Konzepte für das Nebeneinander von Wohnen, Gewerbe und Kultur.

Von Jens Bisky

Das Postamt in der Palisadenstraße, beste Lage, Friedrichshain, viel Platte, diente 13 Jahre als Atelierhaus "Postost". Fünfzig Freischaffende arbeiteten hier, Musiker, Fotografen, Designer, Künstler. Dann wurde das Haus verkauft, der neue Eigentümer plant einen weitere Campus für Start-ups. Die Künstler mussten raus. Sie wichen diesmal nicht Eigentumswohnungen, sondern Kreativen mit Geld und Silicon-Valley-Ideologie dahinter.

"Künstlerinnen vs. Creatives?" hieß folgerichtig ein Diskussionsabend zur Stadtentwicklung, bemerkenswert schon, bevor er begonnen hatte. Man traf sich im Haus der Berliner Festspiele, Schöneberg, beste Lage, herrliche Architektur. Eine große Kultureinrichtung, die mit Bundesgeld viel Feines in die Hauptstadt holt, sorgt sich um die Raumnöte der Künstler in Berlin. So soll es sein, so ist es selten. Und der Titel, Künstler gegen Kreative, zerreißt den Harmonieschleier, der über allem Kreativwirtschaftsgerede hängt.

Der linke Kultursenator, Klaus Lederer, kam aus einer Fünf-Jahres-Feier im "Schokoladen", Trendkiez, viele Touristen, Mitte. 2012 war es gelungen, das alternative Projekt zu retten. Das Berliner Paradebeispiel für Gelingen aber ist "Ex-Rotaprint", zentrale Lage, viele Probleme, Wedding. Davon berichtete die Künstlerin Daniela Brahm. Dank kluger Kombination aus Erbbaurecht und Gemeinnützigkeit ist dieser Schauplatz mit seinen aufregenden Bauten für Kultur, Gewerbe, Soziales gesichert. Daniela Brahm stellte die richtigen Fragen, was das Lokale sei und wer Stadt produziere. Ihr und Ex-Rotaprint ging es eben nicht allein um Kunst und so Künstlersachen. Im Wedding fehlt einiges mehr.

Den Blick von Einzelfällen weg auf die ganze Stadt lenkte Florian Schmidt. Er hat jahrelang um Ateliers in Berlin gekämpft und ist jetzt für die Grünen Baustadtrat in Kreuzberg-Friedrichshain. Schluss mit dem stadt- und kulturpolitischen Inseldenken, sagte er und erklärte beiläufig der Immobilienspekulation den Krieg. Mit Investoren reden, von denen viele die Kreuzberger Mischung - Gewerbe, Wohnen, Kunst nebeneinander - sexy finden; einen Überblick über Leerstände gewinnen, um Ausweichmöglichkeiten anzubieten; Grundstücke kaufen, Vorkaufsrechte nutzen, Auflagen durchsetzen, ein Gewerberaumsicherungskonzept entwickeln. Florian Schmidt scheint gewillt, die stadtpolitischen Instrumente zu nutzen, statt wortreich zu erklären, wie es kam, dass es so ist, wie es ist.

Klaus Lederer versprach Standortsicherung, durchdachte Konzepte und langfristig sichere Strukturen, kulturelle Nutzung auf Dauer. Und er denkt auch an das Einkommen der Künstler, will dafür sorgen, dass in öffentlich geförderten Projekten und Einrichtungen anständig, nach geltenden Standards bezahlt wird. Das heißt mehr Geld für Kultur, aber nicht unbedingt mehr Kulturproduktion.

Das ehemalige Postgebäude in der Palisadenstraße 89 könnte einen Aufbau erhalten, die Pläne werden derzeit geprüft. Mit dem Aufbau wäre Platz für Kreativlinge, Start-ups und Künstler. Und nicht weit entfernt steht das Haus der Statistik mit rund 40 000 Quadratmetern Nutzfläche leer, beste Lage, viel Verkehr, Alexanderplatz. Eine Initiative will dort ein Zentrum für Geflüchtete, Kunst, Soziales einrichten. Es gibt genug Räume in Berlin. Verdrängung ist kein Naturereignis, wenn die Stadtpolitik es nicht als solches behandelt.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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