Süddeutsche Zeitung

Schauplatz Berlin:Triumph der Stille

Für Arno Breker, den Schöpfer monumentaler nationalsozialistischer Propagandakunst, wurde einst ein Staatsatelier im Berliner Südwesten gebaut. Jetzt wurde es saniert und als "Künstlerhaus Dahlem" neu eröffnet.

Von Jens Bisky

Gleich hinterm Ku'damm, nur neun Bus-Minuten entfernt, hat das "Kunsthaus Dahlem" neu eröffnet. Käuzchensteig 8 - das Haus liegt so ländlich behütet, wie man das nur in großen Städten findet. Die Namen mögen idyllisch klingen, die Gegend ist es auch, das Haus am Käuzchensteig aber wurde zu Propagandazwecken errichtet. Auf "Wunsch des Führers" stellte die Stadt 1938 das Gelände zur Verfügung, auf dem ein Staatsatelier für den Bildhauer Arno Breker errichtet wurde. Breker brauchte und bekam es "zur Ausführung von künstlerischen Aufträgen anlässlich der Neugestaltung der Reichshauptstadt". So, wie er für Albert Speers Neue Reichskanzlei einen Schwertträger ("Die Wehrmacht") und einen "Fackelträger" ("Die Partei") schuf, wurde weiterhin allerlei nationalsozialistisch-hochkulturell Brüllendes erwartet.

Das Gebäude, entworfen von dem Architekten Hans Freese, vereint Funktionalität und Monumentalität: eine Sichtziegelfassade mit eisernen Sprossenfenstern, im Inneren drei zweigeschossige Atelierräume, Kräne, Steinholzfußboden, eine Drehscheibe, Marmorfensterbänke, riesige Eichentüren. Der heutige Besucher - das Haus ist jetzt denkmalgerecht saniert worden - wird die Solidität der Architektur und der Ausführung schätzen und zugleich erschauern vor den Ausmaßen. Der mittlere Raum mit etwa 250 Quadratmetern tut, was er soll: den Einzelnen überwältigen durch leere Größe. Ja, man würde sich nicht wirklich wundern, wenn durch eine der Türen mit zitternder Hand Bruno Ganz auf dem Weg zum "Untergang" träte.

Muss man so was erhalten? Arno Breker hat das Atelier nur wenig nutzen können, es wurde erst 1942 fertig und im Jahr darauf nach Bombenangriffen unbrauchbar. Ab 1949 arbeitete hier einer der Erneuerer der deutschen Bildhauerei, Bernhard Heiliger; der Architekt des Ateliers war damals Rektor der Technischen Universität Berlin, bald darauf begann er, das Auswärtige Amt der Bundesrepublik zu entwerfen.

Im Atelierhaus arbeiteten nach Kriegsende neben Heiliger etwa Emilio Vedova, DAAD-Stipendiaten oder in den Achtzigern Wolf Vostell - ein Ort der West-Berliner Kulturgeschichte. Zur Neueröffnung des Kunsthauses hat die kluge Kuratorin Dorothea Schöne Werke der Nachkriegsmoderne aus den Jahren 1945 bis 1955 zusammengetragen: Fritz Cremer, Gerhard Marcks, Hans Uhlmann, Louise Stomps, Heinz Trökes und einige mehr von denen, die man nicht überall antrifft. Die Werke sind zu fein für die Monumentalität des Hauses, aber sie behaupten sich gut in ihm und gegen es. Sie erzählen eine Geschichte vom künstlerischen Neuanfang, der oft ein Sich-Herausarbeiten war; vom Kalten Krieg, der in Berlin wie nirgends sonst die Künstler rasch einer Partei, einem Lager zuordnete. Ausgerechnet in Dahlem werden nun Künstler aus Ost und West nebeneinander gezeigt, wie es sich gehört. Die Zartheit, die das Beste der Nachkriegsmoderne auszeichnet, lässt sich hier erleben: ein Triumph der Stille.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2516111
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.06.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.