Schauplatz Berlin:Heiter streiten um die Kunst-Scheune

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Die Architekten Herzog & de Meuron haben für das Museum der Moderne einen überwältigend unverschämten Monumentalbau entworfen. Die Berliner reagieren überraschend gelassen. Nur einer regt sich auf.

Von Jens Bisky

Wo der große Platz fehlt, gedeihen die kleinen Freiflächen. Man sieht es auf dem Areal, das wirklichkeitswidrig Kulturforum heißt: hier eine Ecke zum Parken; dort verschämtes Stadtgrün, Trampelpfade darüber zu einem Eingang, davor Raucherinsel, Infokasten, Fahrradständer. Dazwischen stehen die Wunderbauten des 20. Jahrhunderts: Hans Scharouns Philharmonie, der Kunsttempel von Ludwig Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie, Rolf Gutbrods Kunstgewerbemuseum. Um sie herum wuchern die Freiflächen; im Nicht-Licht des Novembers erinnern sie an pubertäre Imitationen expressionistischer Großstadtgedichte. O Berliner!

Das Architektenbüro Herzog & de Meuron hat bekanntlich den Wettbewerb für das Museum der Moderne gewonnen, das neben Tempel und Philharmonie emporgewuchtet werden soll. Sie erhielten den Ersten Preis für selbstbewusste Ignoranz gegenüber der Sehnsucht nach einem harmonischem Stadtbild. Ihre Kunst-Scheune hat etwas überwältigend Unverschämtes. Die Stadt hat auf den Monumentalentwurf auf zerredetem Areal wieder einmal überraschend reagiert: Mit viel Zustimmung und noch mehr Schweigen. Nicht den allerkleinsten Architekturstreit scheint er zu provozieren, und das in einer Stadt, in der vor Kurzem noch Freundschaften an der Traufhöhenfrage zerbrachen.

Der Bau drängt Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie an den Rand, "in den Vorgarten"

Der Architekt Stephan Braunfels stimmt nicht zu. Er hat bereits mehrere Pläne für die Umgestaltung des Kulturforums vorgelegt. Die Scheune, so seine Kritik, verlege den Stadtraum ins Innere, folge dem Prinzip der Shoppingmall und degradiere die Nachbarschaft zur Restfläche. Auf einem zentralen Platz werde gebaut, als sei dies eine grüne Wiese. Schuld sei die Berliner Politik, sei der Verzicht auf einen städtebaulichen Wettbewerb. In dieser Woche diskutierte er seine Kritik im FDP-Fachausschuss Kulturpolitik. Bestens informierte Berliner erzählten von ihrem Leiden am Forum wie am Entwurf und stritten heiter. Aus Spruch und Widerspruch ergab sich kein Drittes, aber genaueres Hinsehen.

Die Kunst-Scheune aus Backstein und Glas schreibt den unglücklichen Straßenverlauf fest, jener Straße, die nichts Städtisches hat, die Braunfels deswegen immer verlegen wollte. Eine wirkliche Verbindung von Staatsbibliothek (auch sie von Scharoun) und Forum fehlt; den Tempel der Neuen Nationalgalerie verweisen Herzog & de Meuron in die zweite Reihe, "in den Vorgarten". Er wird vom leuchtenden Riesenrechteck verdeckt. Auch die St. Matthäus-Kirche, ein Kleinod der preußischen Baukunst, wird wenig zärtlich behandelt. Selbst die Jury forderte, den Abstand zwischen Museumsmall und Friedrich August Stülers Kirche zu verringern. Es bleiben die Probleme der schrägen Freifläche vor der Gemäldegalerie, die vielen schäbigen Eingangssituationen, es entstehen neue Ödnisse. Soll am Forum eine Stadtvision verwirklicht werden, wie Braunfels es will? Oder reicht ein Star-Gebäude für die Stadt, wie sie nun einmal ist?

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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