Es ist nicht ausgeschlossen, dass Berlin eines Tages doch noch eine neue öffentliche Großbibliothek bekommt, aber das wird nicht morgen sein und auch nicht übermorgen. Dreizehn Standorte sind im vergangenen Jahr geprüft worden, vier kommen nun in die engere Wahl, werden noch einmal bedacht und geprüft und im Herbst 2016 könnte der eine, der es werden soll, feststehen.
Zur Erinnerung: seit den Neunziger Jahren weiß man, dass es so wie bisher nur schlecht weitergehen kann mit der Zentral-und Landesbibliothek (ZLB), die seit 1995 die alte Staatsbibliothek Ost-Berlins und die alte Amerikagedenkbibliothek in Kreuzberg vereint. Die Standorte sind getrennt geblieben: zum einen das Haus in der Breiten Straße, in Spuckweite zum Schlossneubau, zum anderen das Kleinod beschwingter Fünfziger-Jahre-Moderne am Blücherplatz. Mitte und Kreuzberg sind nicht so weit auseinander, aber das Pendeln nervt, außerdem ist jedes Haus für sich schon zu klein. 2009 überraschte der damals regierende Klaus Wowereit seine Berliner mit dem Projekt eines Bibliotheksneubaus am Tempelhofer Feld. Die weit gediehenen Planungen waren jedoch vergeblich, nachdem der Volksentscheid jedes Bauen am Tempelhofer Feld abgelehnt hatte. Seitdem wird nach neuen Lösungen, neuen Standorten vor allem gesucht.
Die Planungen sind überarbeitet worden, kleiner soll der Neubau der größten öffentlichen Allgemeinbibliothek werden, nur noch 37 000 Quadratmeter umfassen. In ehrgeizigeren Tagen war von 67 000 oder 52 000 die Rede. Entstehen könnte der Neubau durch eine Erweiterung am Blücherplatz; Platz fände sich auch am Südkreuz oder in den vielen tausend ungenutzten Räumen des Flughafengebäudes in Tempelhof. Vorgeschlagen wurde auch ein Haus auf dem Marx-Engels-Forum, zwischen Spree und Alexanderplatz. Diese Idee hat etwas Verrücktes, wird doch über die Gestaltung dieser Freifläche seit Jahren gezankt und gestritten. Die Bibliothek hier zu planen würde dem Projekt wenigstens Aufmerksamkeit sichern. Aus dem Humboldt-Forum, das nebenan entsteht und für das jahrelang Konzepte geschrieben wurden, hat der Senat die ZLB im vergangenen Jahr rausgeschmissen.
Es ist längst bekannt, dass der Regierende Bürgermeister einen Erweiterungsbau am Blücherplatz für die beste Lösung hält, dass auch die Bibliothekare dort am liebsten ihr neues Haus sehen würden. Aber jetzt wird noch einmal geprüft und gerechnet. Wenn dann im Herbst ein Ergebnis vorliegt, hat das Land Berlin gewählt, stehen wohl wieder Koalitionsverhandlungen an. Dann braucht es einen Architektenwettbewerb, und ja, gebaut werden muss auch noch. Es wird sich also weiter hinziehen mit dem größten und auch wichtigsten Kulturbauprojekt der Stadt.
Wie wenig Ehrgeiz die Landespolitik zeigt, die Stadt als Stadt nicht nur über die Runden zu bringen, sondern zu entwickeln, fällt kaum auf, da der Bund vielerorts baut oder hilft, da ständig Neu-Berliner ankommen. Über 260 Millionen Euro sind für den Bibliotheksbau vorgesehen, so rasch werden sie wohl nicht gebraucht.