Saudi-Arabien:Multiplexe für Millionen

Nach Jahrzehnten eröffnet im saudischen Königreich zum ersten Mal wieder ein Kino. Sogar eine Oper soll gebaut werden. Um Kultur geht es dabei auch. Vor allem aber um Geld - die saudische Wirtschaft soll unabhängig vom Öl gemacht werden.

Von Moritz Baumstieger

Seine zweiwöchige Tour durch die USA nutzte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman bisher vor allem für medienwirksame Ankündigungen. Zum Auftakt der Reise teilte er dem Fernsehsender CBS mit, dass saudische Frauen selbst entscheiden sollten, welche Kleidung sie für angemessen halten, der Staat wolle künftig nichts vorschreiben. Der Zeitschrift The Atlantic sagte er am Montag in einem Interview, dass auch die Israelis das Recht auf einen Staat hätten - eine wie nebenbei erwähnte Sensation.

Die Verkündung des nächsten Coups überließ MbS, wie der 32-Jährige oft genannt wird, am Mittwoch jedoch anderen: Am 18. April wird in der Hauptstadt Riad das erste Kino nach 35 Jahren Bann eröffnen. Awwad al-Awwad, Kulturminister des Königreichs, übergab in der Filmstadt Los Angeles die entsprechende Lizenz an Adam Aron, den Chef der US-Betreiberkette AMC Entertainment. Der zeigte sich euphorisch: "Wir denken, dass es das schönste Kino der Welt sein wird", sagte er.

Noch Anfang der Woche war Mohammed bin Salman in Bel Air beim Medienunternehmers Rupert Murdoch zu Gast, und hatte dort mit den Chefs von Walt Disney, Warner Bros., Universal und Titanic-Regisseur James Cameron gespeist. Das Dinner wäre durchaus ein passender Rahmen für die Verkündung der Nachricht gewesen, vielleicht war eine bloße Vollzugsmeldung dem Kronprinzen aber nicht exklusiv genug: Die Grundsatzentscheidung, Kinos in Saudi-Arabien wieder zuzulassen, war bereits im Dezember 2017 publik geworden.

Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger Jahre hatten die bis dahin existierenden Lichtspielhäuser in Arabien nach und nach schließen müssen - fundamentalische Kleriker erzwangen beim damaligen König Khalid eine konservative Wende. Die aktuelle Abkehr von dieser konservativen Gesellschaftspolitik fügt sich in das Leitbild der "Vision 2030" ein, die Kronprinz Mohammed zur langfristeigen Machtsicherung des Königshauses ausarbeitete: Um die saudische Wirtschaft unabhängiger vom Öl zu machen, sollen neue Sektoren erschlossen werden, Potenzial liegt etwa in der kaum entwickelten Unterhaltungsindustrie. Allein an den Kinokassen rechnet Kulturminister al-Awwad mit Einnahmen von einer Milliarde Dollar pro Jahr.

Beim Pop-Konzert in Dschidda, dem ersten seit langem, waren Selfies erlaubt. Tanzen nicht

Zugleich hat Mohammed bin Salman erkannt, dass der Staat der Bevölkerung mehr persönliche Freiheiten gewähren muss - ein von oben verordneter Reformprozess ist für den Bestand der absoluten Monarchie weniger gefährlich als stetig wachsende Frustration im jungen Staatsvolk. So soll nun eine Oper gebaut und Jazz-Festivals organisiert werden. Am Sonntag fand in Dschidda eines der ersten Pop-Konzerte mit dem ägyptischen Star Tamer Hosny statt. Selfies waren erlaubt, Tanzen immer noch verboten.

Dass sich nun einer der Weltmarktführer die erste Kino-Lizenz sichern konnte, passt in bekannte Muster. US-Ketten operieren schon lange erfolgreich in Saudi-Arabien, etwa im beliebten Fast-Food-Bereich. Und nur Großunternehmen können die Dimensionen bewältigen, in denen in Riad gedacht wird: Mindestens 50 hochmoderne Multiplex-Kinos mit insgesamt 2 500 Leinwänden sollen bis 2030 in Saudi-Arabien entstehen, allein die AMC-Gruppe will 100 solcher voll klimatisierter Filmpaläste errichten. Doch auch Mitbewerber aus dem Nahen Osten haben den Markt im Blick. Die libanesische Kette Cinemacity verkündete Ende März, sie habe mit den Arbeiten an einem Komplex mit 20 Leinwänden in einer Mall in Riad begonnen. Der Betreiber Vox Cinemas aus Dubai hat sich ebenfalls um Lizenzen beworben - und will alleine ganze 300 Säle in den nächsten fünf Jahren eröffnen.

Der erste Film, der nun laufen soll, wird voraussichtlich der Sci-Fi-Streifen "Black Panther" von Marvel sein. Mit größeren Eingriffen der immer noch mächtigen saudischen Zensur rechnet AMC-Chef Aron nicht: "Hollywood kennt die Empfindlichkeiten des Nahen Ostens schon lange", sagte er, "und hat seine Filmprodukte für den Markt entsprechend angepasst."

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