Sarkozy und die Immigration:Keine Verleumdung

In Frankreich ist der Rapper Hamé freigesprochen worden. Er hatte in einem Magazin behauptet, die Polizei habe Morde an Immigranten nicht geahndet. Sarkozy gefiel das nicht.

Johannes Willms

In Frankreich ist jetzt in einem Verleumdungsprozess entschieden worden, der seit über fünf Jahren in mehreren Instanzen anhängig war. Die Dauer des Prozesses hat in Frankreich die Frage aufgeworfen, welchen Stellenwert die Redefreiheit überhaupt noch hat. Denn die Hartnäckigkeit, mit der dieses Verfahren betrieben wurde, hatte vor allem einen Grund: Die Klage führende Prozesspartei war der damalige Innenminister Nicolas Sarkozy, der den Rapper Mohamed Bourokba, bekannt als Hamé, wegen Verleumdung der französischen Polizei gerichtlich verfolgen ließ.

Sarkozy und die Immigration: Mohamed Bourokba, Rapper der französischen Gruppe LaRumeur.

Mohamed Bourokba, Rapper der französischen Gruppe LaRumeur.

(Foto: Screenshot: www.iht.com)

Der 32 Jahre alte Hamé ist der Kopf der Rap-Gruppe LaRumeur. Als diese Band im September 2002 ihr erstes Album veröffentlichte, erschien dazu auch ein Magazin, für das Hamé einen Artikel beisteuerte. In diesem Beitrag stellte er die Behauptung auf, das Innenministerium würde Hunderte von Morden, die Polizeikräfte an Immigranten verübt hätten, nie eingestehen, geschweige ahnden.

Hintergrund dieser pauschalen Beschuldigung ist, dass eine bis heute nicht genau bekannte Zahl zumeist aus Algerien stammender Arbeitsimmigranten vor allem während des bis 1962 auch in Frankreich wütenden Algerienkriegs bei Polizeirazzien zu Tode kamen. Besonders berüchtigt ist in diesem Zusammenhang die friedliche Demonstration von Algeriern in Paris, die am 17. Oktober 1961 von Einheiten der dem Innenministerium unterstehenden CRS (Compagnie Républicaine de Sécurité) brutal niedergeknüppelt wurde. Allein dieser Einsatz soll mehrere Dutzend Todesopfer gefordert haben, für die kein einziger der an dem Massaker beteiligten Polizisten je zur Rechenschaft gezogen worden ist.

Das gerät umso weniger in Vergessenheit, als - wie Hamé, dessen Eltern in den fünfziger Jahren aus Algerien nach Frankreich kamen, in seinem Beitrag weiter schrieb - die soziale Wirklichkeit, mit der er und seine "Mitbrüder" in Frankreich heute konfrontiert sind, von Ablehnung, Diskriminierung, Benachteiligung und häufig verächtlicher Behandlung seitens der Polizeikräfte bestimmt sei. Das ist nichts weniger als die Quintessenz der Erfahrungen, die auch und gerade von den "beurs", den in Frankreich geborenen Kindern der nordafrikanischen Arbeitsimmigranten, tagtäglich gemacht werden.

Verlorenheit

Zwar sind sie ihrem Pass nach Franzosen, fühlen sich aber dennoch nicht als Teil der französischen Gesellschaft, was vielen von ihnen ein Gefühl der Verlorenheit und des Identitätsverlusts verschafft. Der gefeierte Fußballstar in der französischen Nationalmannschaft Zinedine Zidane hat das einmal so beschrieben: "In erster Linie bin ich ein Kabyle aus LaCastellane (einem Viertel in der Banlieue von Marseille), dann ein Algerier aus Marseille und dann ein Franzose".

In einem ersten Verfahren im Jahr 2004, das gegen Hamé auf Grund jener Äußerungen angestrengt wurde, lautete das Urteil auf Freispruch vom Vorwurf der Verleumdung. Das wurde durch einen Revisionsprozess 2006 erneut bestätigt. Jetzt schaltete sich aber das Innenministerium ein, dessen damaliger Chef Nicolas Sarkozy diesen Richterspruch anfechten ließ. Diesmal mit Erfolg, denn im Juli 2007, rund zwei Monate nach der Wahl Sarkozys zum französischen Staatspräsidenten, erging die Entscheidung, das Verfahren gegen Hamé vor dem Berufungsgericht in Versailles erneut zu eröffnen.

Am Dienstag nun wurde Hamé wiederum freigesprochen. Ob dieses Urteil aber endgültig ist, wird sich erst noch zeigen, denn die Staatsanwaltschaft kann noch bis Freitag dagegen Berufung einlegen.

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