Sandalen-Comicverfilmung "300":Dunkle Wolken, tote Sonne

Untergangspathos der Griechen gegen die Übermacht der Barbaren: Der düstere Comic-Zeichner Frank Miller liefert nach "Sin City" eine weitere Vorlage zu einem Kinofilm: dem Schlachtenepos "300".

Tobias Moorstedt

Lausig ist das Wetter in der Welt von Frank Miller: Dunkle Wolken vor einer toten Sonne, peitschender Regen, alles durchtränkt von Erz- und Erdtöne, wie man sie von Schlachtengemälden kennt. Der meteorologische Ausnahmezustand ist zum moralischen Dauerzustand geworden. Und das Tiefdruckgebiet füllt alles aus - auch die Menschen.

300 comic frank miller
(Foto: Foto: AP)

Der 50-jährige Miller gilt in den USA als einflussreichster Autor von "graphic novels", Zeichentrick-Romanen. Ende der siebziger Jahre begann er, die Superhelden-Comics zu überarbeiten. Miller verlieh den hyperrealen Heroen eine urbane Härte, ließ sie nicht länger gegen Aliens, sondern gegen Mafiabosse antreten.

Die Mischung als Realismus und Stilisierung wurde zu seinem Markenzeichen. Anders als die Cartoon-Konzerne Marvel und DC sieht Miller die Figuren nicht als statische "Properties", die niemals altern, zerbrechen oder gar sterben dürfen, sondern verleiht ihnen eine, wenn auch düstere Seele.

Mystisch-melancholische Expressivität

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Miller erst durch die Verfilmung seiner Film-Noir-Serie "Sin City" bekannt. In dieser Woche nun wechselt sein nächstes Werk vom Papier auf die Leinwand, "300", die Visualisierung der Schlacht der Griechen gegen die Perser bei den Thermopylen (480 v. Christus).

Miller zeichnet die Spartaner als perfekte Soldaten, die "den herrliche Moment des Aufeinanderprallens der Armeen herbeisehnen", eine unbarmherzige Kriegerrasse, herangezüchtet von einer darwinistischen Gesellschaft.

Frank Millers Bildsprache ist düster, blutrünstig und voller Referenzen. "Sin City" war vom Film Noir inspiriert, Miller zeichnete mit roter und schwarzer Tusche und verlieh den Figuren durch holzschnittartige Kanten und Flächen eine mystisch-melancholische Expressivität. Auch bei "300" gelingt es ihm allein mit monochromen Flächen, die Atmosphäre zu verdichten.

Gewalttätige Bewegung und glorreiche Pose

Frank Miller macht Comics im Breitbandformat. Mit "300" hat er so etwas wie das Instant-Storyboard für einen surrealen Sandalenfilm zu Papier gebracht. Ganzseitige Aquarelle, so genannte Splash Pages, wechseln sich ab mit winzigen, hochdynamischen Vignetten, Nahansicht folgt auf Totale, Aufsicht auf Froschperspektive. Trotz des kinematografischen Zeichenstils galten Millers "graphic novels" lange als unverfilmbar. Erst der Computer erlaubte es dem Kino, in die Welt der Comic-Phantasien vorzudringen.

In einem Hollywood-Film wären Millers Spartaner die Bösewichter. Sie richten die Verwundeten hin und "überlassen die Demokratie den Athenern." Die Gewalt ist extrem: Blut bedeckt die Seiten wie Kaffeeflecken. Die Idee zu "300", so Miller, sei bereits in seiner Kindheit entstanden, als er den Hollywood-Film "The 300 Spartans" sah: "Ich war es gewohnt, das Superman ganze Planeten zerstört.

Es war eine Epiphanie, dass der Held nicht immer richtig liegt - und auch nicht immer gewinnt." Bei Frank Miller ruft der Spartanerkönig seinen Kriegern zu: "Noch heute Abend speisen wir in der Hölle." Der Nihilismus bietet dem Wunsch nach Identifikation kaum Haltepunkte.

Wegen seiner vermeintlich faschistoiden Bilder ist "300" heftig kritisiert worden. Aber der Wechsel zwischen gewalttätiger Bewegung und glorreicher Pose ist wie jede Ästhetik nur ein Gefäß für Inhalte und Ideologien. Frank Millers Comic gleicht einer leeren Amphore. Doch an ihrem Boden haftet der Staub der Geschichte.

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