Zum Tod von Sara Danius:Erstaunliches Gespür für Stil

Zum Tod von Sara Danius: Sara Danius im Dezember 2018 in der Concert Hall in Stockholm.

Sara Danius im Dezember 2018 in der Concert Hall in Stockholm.

(Foto: AFP)

Sara Danius war als erste Frau "ständiger Sekretär" der Literaturnobelpreis-Akademie - und ein ungewöhnlicher Geist: Prousts Kompositionsprinzip verglich sie einmal mit Mayonnaise.

Nachruf von Thomas Steinfeld

Zu einer Berühmtheit, auch außerhalb literarischer Kreise, wurde Sara Danius, als sie im Jahr 2013 in die Schwedische Akademie gewählt und zwei Jahre später zu deren "Ständigem Sekretär" ernannt wurde: als erste Frau, die dieses Amt innehatte.

Vorgestellt hatte sie sich die Aufgaben als Sprecherin der Akademie indessen wohl anders, als sie sich dann gestalteten. Im November 2017 begann der Skandal um sexuelle Übergriffe in der Umgebung der Akademie, an dessen Folge die Institution beinahe zugrunde ging. Hatte sie zunächst versucht, mit großer Entschlossenheit, die Krisen der Akademie in den Griff zu bekommen, erwiesen sich diese bald als so mächtig - und die Zerwürfnisse unter ihren Mitgliedern als so zerstörerisch -, dass auch Sara Danius davon ergriffen wurde. Im April 2018 gab sie ihr Amt auf.

Das letzte Mal, dass man sie als Mitglied der Akademie sah, war die Zeremonie zu Vergabe der Nobelpreise im vergangenen Herbst, als sie mit einem gewaltigen Umhang in bunten Farben alle versammelten Fräcke überstrahlte.

Sara Danius war eine ungewöhnliche Intellektuelle, nicht nur, weil sie als junge Frau Basketball in der obersten schwedischen Liga spielte, nicht nur, weil sie sich als Croupière ausbilden ließ, sondern auch als Kritikerin und Literaturhistorikerin: In ihrer Dissertation aus dem Jahr 1998 hatte sie ein Handvoll zentraler Werke der frühen Moderne, darunter die Bücher von Proust, Thomas Mann und James Joyce, auf deren Bezüge zu Technik und Industrie befragt. Später widmete sie sich Marcel Prousts Beziehung zum Automobil (2000), Joyces Umgang mit den vermischen Anzeigen in Triestiner Zeitungen ("Nase für Neuigkeiten", zusammen mit Hanns Zischler, 2008) und dem Kochrezept in historischen Frauenzeitschriften als Spiegel und Medium des Gegenwartsbezugs (2014).

In allen diesen Schriften entwickelte sie, über alle Entdeckungen am Material hinaus, ein erstaunliches Gespür für die Erfahrungen, die der Entstehung von Literatur zugrunde liegen, weshalb sie dann auch irgendwann das Kompositionsprinzip der "Suche nach der verlorenen Zeit" auf ein abenteuerliches Kochrezept zurückführte. Sie verglich es mit einer Mayonnaise.

Es muss dieselbe Abenteuerlust gewesen sein, die sie, im Theoretischen wie im Praktischen, zur Mode führte, in ein Interessensgebiet, in dem sie, buchstäblich, zuletzt stilbildend wurde: In Schweden wird sie als Trägerin von bunten Blusen mit Kragenschleifen in Erinnerung bleiben. An vergangenen Freitag ist Sara Danius nach langer Krankheit im Alter von 57 Jahren gestorben.

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