Sam Smith in München:Ein Hoch auf den Herzschmerz

Sam Smith im Zenith in München.

Zu sich stehen und seinem eigenen Stil folgen: Sam Smith im Zenith in München.

(Foto: dpa)

"Hat hier jemand schon mal unerwiderte Liebe erfahren?": Newcomer Sam Smith beweist in München, warum er bei den Grammys kürzlich Taylor Swift hinter sich ließ. Zum Auftakt seiner Welttournee: fünf Fragen, fünf Antworten.

Von Laura Csapo, München

Warum tun wir uns das an?

Mit vier goldenen Grammophonen ging Sam Smith gerade bei der Grammy-Verleihung in Los Angeles von der Bühne. Der 22-jährige Brite war der Überraschungsgewinner und setzte sich in der Kategorie "Neuer Künstler des Jahres" unter anderem gegen Taylor Swift durch. Mit "Stay with me" wurde er für den "Song des Jahres" und die "Aufnahme des Jahres" ausgezeichnet, sein Debütalbum "In The Lonely Hour" wurde das beste "Pop-Album vocal".

Und so stellt sich die Frage eigentlich gar nicht, warum man sich das antun muss: Wenn jemand hochoffiziell Talent hat, dann Sam Smith.

Vor einem Jahr kannte ihn noch niemand, jetzt sind alle seine Konzerte in Deutschland ausverkauft. Einen Manager habe er schon sehr lange, erzählt Smith, aber erfolgreich sei er erst, seit er einfach er selbst sei. Diese Botschaft, die er schon bei den Grammys verkündet hatte, wiederholt er in München: zu sich stehen und einen eigenen Stil verfolgen, so unkonventionell er auch sein mag. Und das Besondere hat Sam Smith, eine Stimme, die in ihren Höhen wie den Tiefen außergewöhnlich ist, beeinflusst von Soul und Jazz und von der Kirche.

Seine Schulzeit verbrachte er nämlich auf einer katholischen Schule. Nicht nur stimmlich hat sich Smith dort durchgesetzt. Er musste auch lernen, was es bedeutet, Homosexueller in einer konservativen Kleinstadt zu sein.

Und was gab's dann tatsächlich zu sehen?

Ohrenbetäubend beginnt Sam Smiths Konzert, nicht weil die Bässe so laut und die Gitarren so hart wären, sondern weil das Publikum markdurchdringend kreischt, als er gekleidet in einen schlichten Anzug, mit vornehmer Blässe und strahlendem Lächeln die Bühne betritt. Und er startet die Show nicht, wie vielleicht zu vermuten, mit seinen großen Radiohits, sondern mit den etwas unbekannteren Songs seines Debüts "In The Lonely Hour".

Macht aber nichts: Die Gäste sind gut aufgewärmt, denn zum Auftakt heizte ihnen Kwabs ein, der mit seinem Erfolgshit "Walk" selbst schon ganz oben in den Charts stand. (Für Interessierte: Der Londoner mit ghanaischen Wurzeln ist kommenden Monat nochmals alleine für ein Konzert in der Münchner Muffathalle.)

Sam Smith tritt allerdings nicht nur als Musiker auf - rührend erzählt er Geschichten zu seinen Songs, darüber, dass ihm das Herz gebrochen wurde. Und dafür dankt er seinem Herrn, denn sonst hätte er nie so tieftraurige Musik machen können. "Hat hier jemand schon mal unerwiderte Liebe erfahren?", fragt er ins Publikum. Die Antwort kann natürlich nur "ja" lauten - mit Erfolg drückt er auf die Tränendrüse seiner Gäste. Seine erste veröffentlichte Single "Lay Me Down" oder aktuell "I'm Not The Only One" sorgen für eine tief berührte Menge, Wunderkerzen werden gezündet, Feuerzeuge in die Höhe gehalten - gemeinsam einsam.

Aber Sam Smith kann auch für gute Stimmung sorgen. Seine hervorragende Band - immer wieder kollegial von ihm ins Rampenlicht gerückt - spielt eine Musik, die das Publikum schunkeln lässt wie ein in die Jahre gekommenes Pärchen in einem kleinen amerikanischen Jazzclub. Die Jazz-Elemente der Show sind viel tanzbarer als bei seinem Hit "La La La", den er 2013 zusammen mit Naughty Boy gelandet hat.

Ausgerechnet sein Gassenhauer ist an diesem Abend nicht das Highlight, auf das die Fans gehofft hatten. In der Live-Version wirkt der Titel wie ausgebremst und verliert an Schwung. Den mit Disclosure aufgenommenen Electro-Track "Latch" verlangsamt Smith ebenfalls deutlich, macht ihn zur Ballade. In diesem Fall ist das allerdings nicht schlimm, sondern eine großartige erste Zugabe.

Nach knapp eineinhalb Stunden endet das Konzert, mehr hat der Brite nicht in Petto, schließlich ist er noch ein Newcomer. Der Abend endet, wie könnte es anders sein, mit dem Riesenerfolg "Stay With Me" - und alle singen: Bleib bei uns, Sam.

Der beste Moment?

Absoluter Höhepunkt der Energiekurve "Money On My Mind" - Smiths erste Singleauskoppelung seines bisher einzigen Albmus "In The Lonely Hour". Gelungen inszeniert von der Band, laut und druckvoll gesungen von Smith, und schon wacht das Publikum auf. Der Herzschmerz ist da mal kurz weggeschoben - es ist schließlich der einzige Song auf dem Album, der nicht von Liebe handelt, erklärt Smith. Da wird dann ein bisschen wilder getanzt.

Das Konzert wäre nichts für Sie gewesen, ...

... wenn Sie auf eine fulminante Pop-Party gehofft hatten. Sicher, bewegen darf man sich schon auch mal, aber Sam Smiths Debütalbum ist eben vor allem eines: melancholisch. Mit dem vorwiegend weiblichen Publikum war da zu rechnen. Damit, dass sich in den schwierigen Räumlichkeiten des Zeniths Frauen jeder Altersklasse mit ausgepackten Ellenbogen Kämpfe um die Plätze liefern, nur bedingt. In so ein Gerangel stürzt sich nicht jeder gerne.

Was bleibt also?

Dass Traurigkeit auch mit Leichtigkeit verpackt werden kann und dass Sam Smiths Talent so gar nicht zum Weinen ist. "Finally it happend to me", singt er in einem Mash-Up von "Money On My Mind" und "Finally" von der amerikanischen Sängerin CeCe Peniston. Dem kann an diesem Abend jeder nur zustimmen: Sam Smith hat endlich seinen Durchbruch. Auf sein nächstes Album darf man sich ruhig freuen.

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