Salzburger Promi-Auftrieb während der Festspiele:Anna, mir ist fad.

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Prominenz und Pappmaché: Die Festspielstadt ergibt sich dem Gottschalkismus und bejubelt Luxusuhren, Luxuslimousinen und die Neu-Österreicherin Netrebko.

Christian Mayer

Er ist in diesem Salzburger Rekordsommer die alles überragende Figur - präsenter und wichtiger als die Flicks, die Gottschalks, die Schüssels, die Wittgensteins und die übrigen Protagonisten der Festspielgesellschaft.

Winkt sie einem Taxi? Nein, den Fans. (Foto: Foto: dpa)

Und er liegt ja auch so nett da, in seinem Geburtshaus in der Getreidegasse, ausgestellt in einem weißen Kinderbett: eine faltenlose Puppe mit himmelblauen Knopfaugen, ein ewigjunger Spund, ein hübscher Kerl mit Perücke! Mögen Mozart-Verehrer diese Verniedlichung als abgeschmackt empfinden, unzählige Touristen bewundern sogar diese wohl seltsamste Darstellung des unsterblichen Wolfgang Amadeus, der in jedem zweiten Schaufenster ausgestellt wird.

Am Ende der ersten Festspielwoche kann man wieder einmal die magische Anziehungskraft des Genies erleben, das auch nach 250 Jahren im Gegensatz zum Publikum nie altert. Es ist Freitagabend, kurz vor der Premiere der ¸¸Zauberflöte", und der Touristenschwarm verdichtet sich auf der Gegenseite des großen Festspielhauses. Hinter einem Sperrgitter wartet das Volk vergeblich auf Sensationen, wird aber mit Promis wie Kai Pflaume, Uschi Glas, Fritz Wepper oder Horst Seehofer fürs Warten belohnt. Beinahe kann man den Eindruck bekommen, dass der gesamte Verkehr, der im Salzburger Sommer schlicht mörderisch ist, aus stahlgrauen Audi-Limousinen besteht, die jetzt als Sponsoren-Armada in die Hofstallgasse einbiegt.

Um so farbenprächtiger und manchmal geradezu knallig bunt ist dann die Inszenierung der ¸¸Zauberflöte", die allerdings einem hochgewachsenen Herrn weniger gefällt, der pausenlos Interviews geben muss: ¸¸Zu viel Pappmaché", kritisiert Thomas Gottschalk, der nicht nur wegen seines Redeflusses, sondern auch phänotypisch als Papageno durchgehen würde. Bühnenreif ist die Begrüßung zwischen dem Fernsehunterhalter und der ebenfalls im Publikum weilenden Anna Netrebko, die mit großzügigen Gesten der Verehrung und einem Handkuss bedacht wird.

Wenn es neben Mozart in diesem Jubiläumsjahr überhaupt einen zweiten Superstar gibt, dann ist es die russische Sopranistin. Wo immer sie auftaucht, warten schon die Kamerateams auf sie, bei der Premiere von ¸¸Le Nozze di Figaro" lauerten sie sogar hinter der Bühne. Trotzdem schafft sie es meist, unnahbar schön zu wirken, selbst wenn sie sich kurz vor der Aufführung auf ihren Platz im Festspielhaus schleicht, um den üblichen Aufruhr zu umgehen.

Nach der fast schon beängstigenden Anna-Mania im Vorjahr versucht sie nun, ihre Auftritte in der Salzburger Society zu reduzieren, obwohl ihr doch gerade die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden ist, was weitere Verpflichtungen mit sich bringt. Nur für einen Luxusuhrenhersteller macht sie eine Ausnahme und beehrt die Boutique mit einem Besuch. Zur Premierenfeier der ¸¸Zauberflöte" im Restaurant ¸¸M32" auf dem Mönchsberg geht ihr wachsamer Manager Jeffrey Vanderveen dagegen lieber allein. Er erlebt, wie die zuvor schon umjubelte Königin der Nacht, Diana Damrau, von den Gästen begeistert gefeiert wird - noch eine schöne Sängerin, die bereits hoch gehandelt wird. Über den Dächern der Stadt wird dann bis drei Uhr morgens getanzt oder wahlweise Zigarre geraucht, was der Schauspieler Fritz Wepper mit großer Hingabe tut.

Es wäre nun unfair, wenn man dem Intendanten der Wiener Staatsoper zustimmen würde. Ioan Holender hat gerade in der Presse recht griesgrämig den ¸¸Gottschalkismus" und die Adabei-Mentalität der Salzburger Festspiele beklagt. Doch ohne Gottschalkismus, rauschende Sponsoren-Feste und perfekt inszenierte Huldigungen an Füllfederhalter und Schmuckmarken würden die Fotografen und Fernsehteams lieber nach Bayreuth fahren, um dort die Kanzlerin zu drangsalieren. Das wäre ein Jammer. Dann gäbe es auch keine Benefiz-Galas, die immerhin einem höheren Zweck zugute kommen - im Zweifelsfall Mozart. Dass der amerikanische Opernmäzen Donald Kahn, der wie Netrebko Ehrenösterreicher ist, vier Millionen Euro für das neue Festspielhaus gespendet hat, muss übrigens auch zelebriert werden. Mit einem ¸¸Amadeus Weekend", bei dem der deutsche Promi-Bekocher Alfons Schuhbeck servieren lässt.

Eine, die alle kennt und alles schon mal erlebt hat, macht in diesem Sommer auch wieder von sich reden. Fürstin Marianne zu Sayn-Wittgenstein-Sayn hat ein Buch mit ihren Lieblingsbildern veröffentlicht - die 86-Jährige fotografiert ja unermüdlich ihre vielen prominenten Freunde. Selbstverständlich wird auch die Premiere ihres dicken Wälzers standesgemäß begossen. Die Galerie Rudolf Budja ist genau die richtige Adresse, wenn man mit Gunter Sachs, Camilla Habsburg und der Schwiegertochter Sunnyi Melles über gute alte Zeiten plaudern will. Jeder, der irgendwann mal wichtig war zwischen Salzburg und Fuschl, ist in der ¸¸Sayn-Wittgenstein-Collection" in Hochglanz vertreten.

An den Wänden der Galerie in der Philharmonikergasse hängen übrigens rätselhafte Gemälde, die schwer mit Mozart zu tun haben. ¸¸Punk me Amadeus" heißt ein Werk, und auf einer Großtafel ist ein szeniger Don Juan zu sehen, der Designerturnschuhe trägt und die Dose eines Salzburger Brauseherstellers in der Hand hält. Mozart muss in diesem Jahr schon einiges aushalten.

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.174, Montag, den 31. Juli 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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