Salzburger Festspiele:Kein Gretchen

Salzburger Festspiele: Elīna Garanča singt die "Marguerite" in Berlioz' Oper.

Elīna Garanča singt die "Marguerite" in Berlioz' Oper.

(Foto: Holger Hage für Deutsche Grammophon)

Die Mezzosopranistin Elīna Garanča bereichert die konzertante Aufführung von "La Damnation de Faust".

Von Michael Stallknecht

Immer gegen Ende hin setzen die Salzburger Festspiele eine oder zwei Opern in konzertanter Form auf den Spielplan. Dahinter steckt eine einfache Rechnung, weil sich hier auch Sängerstars einbinden lassen, die vielleicht nicht drei oder vier Wochen szenisch proben wollen, aber dennoch für hohe Kartenpreise bürgen. In diesem Jahr sorgt vor allem Elīna Garanča für den Starbonus, deren Stimme mühelos das Große Festspielhaus füllt, mit den reich schillernden Mezzosopranfarben, den samtweichen Tiefen und den blühenden Höhen. Dabei ist ihre Partie in Hector Berlioz' "La Damnation de Faust" vergleichsweise kurz, tritt sie doch in der französischen Variante von Goethes "Faust" überhaupt erst nach der Pause auf. Dennoch beeindruckt sie in der Rolle der Marguerite, die sie ihrem Stimmprofil entsprechend nicht als Mädchen anlegt. Kein Gretchen wartet hier unschuldig auf seinen Faust, sondern eine Frau entdeckt ihre Sinnlichkeit. Schon das Lied vom "König von Thule" klingt allenfalls auf eine gebrochene, raffinierte, wenn man so will, französische Weise naiv.

Charles Castronovo hat dagegen anfänglich noch Probleme, seinen Tenor optimal in den Raum zu projizieren. Das mag auch daran liegen, dass er auf letztlich stimmige Weise nach weichen Farben strebt. Schließlich ist dieser Faust vor allem ein Liebhaber, der am ennui, der französischen Form des Weltekels, leidet. Entsprechend sanft schattiert Castronovo die Partie ab, bahnt sich elegante Wege durch die höheren Lagen, setzt immer wieder auch die voix mixte ein. Im Lauf des Abends entwickelt er aber auch den virilen Stimmkern, um die Paradenummer "Nature immense" mit vollem Klang zu fluten. Vergleichsweise blass bleibt Ildar Abdrazakov, der weder die Dämonie noch die Ironie des Méphistophélès so recht entdecken mag. Da der Teufel nun mal von Haus aus kein Mensch, sondern ein Prinzip ist, bedürfte die Rolle eines stärker deutenden Zugriffs, wo Abdrazakov sich vor allem auf das Vorführen seines Prachtbasses verlässt.

Berlioz wollte mit der Oper vor allem die Vorstellungskraft anregen

Obwohl das Werk inzwischen oft auch von Regisseuren gedeutet wird, eignet sich "La Damnation de Faust" gut für eine konzertante Aufführung. Schließlich intendierte der Komponist selbst keine szenische Umsetzung, sondern wollte mit seiner "Légende dramatique" vor allem die Imagination ansprechen. Es stärkt die Rolle des Orchesters und gibt hier den Wiener Philharmonikern Gelegenheit, ihre ganze Farbpracht auszubreiten, vom straffen Ungarischen Marsch bis zum ausgewählt schönen Englischhornsolo während der Romanze der Marguerite, vom delikaten Ballett der Sylphen bis zum Pandämonium mit seinen röhrenden Blechbläsern.

Dirigent Alain Altinoglu gibt ihnen dafür den Raum, ohne auf eine besonders eigenständige Deutung zu dringen. Er sorgt vor allem für guten Fluss, während er zugleich die Dynamik stimmig abschattiert. Die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor ist in größtmöglicher Stärke angetreten, lässt aber eine reiche Klangstaffelung hören. Der häufig allein gefragte Männerchor klingt rund und homogen als Soldaten oder betrunkene Studenten, die Frauen verleihen den Sylphen und himmlischen Geistern den zarten Reiz von Luftwesen.

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