Süddeutsche Zeitung

Salzburger Festspiele:Gesänge des Todes

Düstere Lieder mit dem schlachtenerprobten Bariton Matthias Goerne und dem jungen Pianisten Daniil Trifonov, erstmals als Liedbegleiter.

Von Harald Eggebrecht

Eine eindringliche, in ihrer Auswahl- und Darstellungskonsequenz imponierende und in der klanglichen, sängerischen wie pianistischen Realisation bannende Leistung war es, die der schlachtenerprobte Bariton Matthias Goerne und der junge Wunderpianist Daniil Trifonov als Liedbegleiternovize im Salzburger Haus für Mozart boten. Der dankbare Jubel galt einer musikalischen Konzentration, die keine Pause kannte, sondern eine Atmosphäre des Düsteren, ja, Ausweglosen und eine Assoziationsdichte namenloser Trauer schuf, die niemand vergessen wird, der dabei war.

Vier frühe Lieder von Alban Berg nach Versen von Friedrich Hebbel und Alfred Mombert, Robert Schumanns "Dichterliebe" nach Heinrich-Heine-Gedichten, drei späte Hugo-Wolf-Lieder auf Lyrik von Michelangelo, drei Lieder von 1974, dem Todesjahr von Dmitri Schostakowitsch, ebenfalls auf Verse von Michelangelo, schließlich Vier ernste Gesänge des späten Johannes Brahms auf biblische Texte.

Der Liederabend trug den Titel "Zeit mit Schostakowitsch", er hätte auch lauten können, Gesänge des Todes: Denn was an Tränen und Schmerz, an Verzweiflung und Todessehnsucht, an Grabesstimmung und Endzeitfahlheit Goerne da im zartesten Pianissimo ebenso wie im dröhnenden Forte beschwor, leuchtete den Raum mit der Magie des Nachtschwarzen und dem Zorn der Vergeblichkeit unentrinnbar aus.

In gewisser Weise könnte man von Einseitigkeit sprechen, weil Matthias Goerne die Berg-Lieder und den Schumann-Zyklus unmittelbar neben die Finsternisse von Schostakowitsch und Brahms stellt. Dabei werden die helleren Lichter in der träumerischen Welt des jungen Berg und die nervöse Sehnsuchts- und Wehmutskunst Schumanns, aber auch das Rauschhafte und Glanzvolle der "Dichterliebe" gleichsam eingefangen und beschattet von den Endeahnungen und Nachtgedanken der die Nähe des eigenen Todes spürenden Schostakowitsch und Brahms. Das hatte Folgen für die Charakteristik der einzelnen Schumannlieder, die ja Heinrich Heines blitzschnelle Liebesstimmungs- und Rhythmuswechsel geisteshell umsetzen. Goerne hingegen ließ diese quicklebendige Vielfarbigkeit immer wieder in elegisch geführten Melodiebögen erbleichen und zeigte so, dass das zwar leichtfüßig besungene Liebesunglück dennoch den tödlichen Abgrund in sich trägt.

Die enorme Spannung des Abends trugen aber zwei: Wie Trifonov in Schumanns Klavierkommentaren den Liedern quasi improvisatorisch nachsann, die Töne in ihrer Zerbrechlichkeit weiterdachte zum nächsten Lied - mirakulös. Wie er bei Schostakowitsch unerbittlich hart und kahl anschlug und bei Brahms das polyfone Gewebe unter der Singstimme herb ausbreitete, beim jungen Berg mit Jugendstil-eleganten Klangmischungen verführte und dem todgeweihten Hugo Wolf letztes Aufbäumen schenkte - es war so atemraubend wie die gemeinsame Überzeugungskraft dieser sehr unterschiedlichen Musiker, mit der sie ihre Konzeption grandios verwirklichten.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2017
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