Süddeutsche Zeitung

Salman Rushdie im Profil:Die Zielscheibe des Zorns

Bestimmendes Thema von Rushdies ersten Romanen waren die Beziehungen zwischen dem Westen und Indien. 1988 erschienen "Die satanischen Verse". Seitdem herrscht der Zorn der islamischen Welt.

Andrian Kreye

Der Schriftsteller Salman Rushdie hatte die Konfrontation mit dem Islam nie gesucht. Doch dann verhängte der iranische Revolutionsführer Ajatollah Chomeini am 14. Februar 1989 nach Protesten gegen Rushdies vierten Roman "Die satanischen Verse" in einer Radioansprache ein Todesurteil über den Autor.

Das Kopfgeld von ursprünglich 150.000 Dollar wurde von islamistischen Fanatikern sukzessive auf 2,8 Millionen erhöht. Zehn Jahre lang war Rushdie gezwungen sich zu verstecken. Erst 1998 hob die iranische Regierung die Fatwa im Rahmen diplomatischer Annäherungen mit Großbritannien auf. Doch die Weltgeschichte gönnte ihm die Ruhe nicht. Der Ritterschlag der Queen macht Sir Salman Rushdie nun erneut zur Zielscheibe des Zorns in der muslimischen Welt.

Am 19. Juni 1946 in Bombay geboren wuchs Salman Rushdie in einer liberalen Moslemfamilie auf. Mit 13 Jahren wurde er auf eine Privatschule in England geschickt. Nach dem Studium in Cambridge begann er eine Laufbahn als Schriftsteller. 1975 erschien sein erster Roman "Grinmus", der keine große Beachtung fand. Doch schon sein zweites Werk "Mitternachtskinder" brachte ihm 1981 mit dem Booker Preis die wichtigste englische Literaturauszeichnung ein.

Schwerwiegende Folgen

Bestimmendes Thema dieser ersten Romane waren die Beziehungen zwischen dem Westen und dem indischen Subkontinent. 1988 erschienen "Die satanischen Verse", darin beschäftigte sich Rushdie erstmals mit dem Islam: Prophet Mohammed erhält eine göttliche Eingebung vom Erzengel Gabriel, die eine Rückkehr zum Polytheismus bedeutet. Erst später entpuppt sich der Engel als Satan, und so verschwinden die "satanischen Verse" aus dem Koran. Der Zorn der islamischen Welt richtete sich vor allem auf die respektlose Darstellung Mohammeds.

Chomeinis Fatwa hatte schwerwiegende Folgen. In Indien starben zwölf Menschen bei Unruhen, Rushdies japanischer Übersetzer wurde ermordet, sein norwegischer Übersetzer niedergeschossen; 37 türkische Intellektuelle starben, als Islamisten während eines Literaturfestivals ein Hotel niederbrannten; weltweit kam es zu Anschlägen auf Buchläden. In Deutschland wurde deshalb der Roman von dem Kollektiv "Artikel 19" veröffentlicht, hinter dem große Verlage und führende Intellektuelle steckten. Rushdie versuchte 1990 vergeblich, sich zu entschuldigen, indem er sich zum moslemischen Glauben bekannte. Trotzdem blieb das Todesurteil bis 1998 bestehen.

Als die Fatwa aufgehoben wurde, betonte Rushdie jedoch, er sei nicht religiös. Gleichzeitig ließ er sich nicht auf seine Rolle als Märtyrer für die Freiheit der Kunst festlegen. Im Jahr 2000 siedelte er nach New York um. Wer ihn dort traf, lernte einen äußerst lebenslustigen Intellektuellen kennen.

Viele Briten nahmen ihm übel, dass er in Übersee das Leben eines Dandies führte. Rushdie trat mit Rockstars wie Bono von U2 auf, ließ sich auf Parties herumreichen und heiratete das indische Fotomodell Padma Lakshmi. Als Autor ist er jedoch eine wichtige Stimme geblieben. Als Essayist setzte er sich für einen palästinensischen Staat, die Reform des Islam und die Befreiung des Irak ein.

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Quelle:
SZ vom 22. 6. 2007
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