Salman Rushdie:Gold und Moral

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Salman Rushdie neuer Roman „Golden House“ erzählt von zwielichtigen Gestalten, die es geschickt verstehen, sich medial zu inszenieren. (Foto: Hannelore Foerster/Getty)

Der Autor hat die fantastische Stilisierung der Wirklichkeit zu seinem Markenzeichen gemacht. In seinem neuen Werk geht es um dekadente Herrscher.

Von Nicolas Freund

Salman Rushdie gilt als einer der bekanntesten Vertreter des magischen Realismus, der Überhöhung und oft fantastischen Stilisierung der Wirklichkeit zur literarischen Darstellung sonst verborgener mythologischer, historischer oder psychologischer Aspekte des alltäglichen Lebens. Oft wird er in einem Atemzug mit Gabriel García Márquez genannt, der dem Genre mit seinem Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" weltweiten Erfolg bescherte.

Wo der magische Realismus aus Lateinamerika aber eine Wirklichkeitserfahrung darstellen möchte, hat er sich bei Salman Rushdie zu einem Instrument der politischen Argumentation entwickelt. In seinem 1983 erschienen Roman "Mitternachtskinder", der mit dem Booker Prize ausgezeichnet wurde und für Rushdie den internationalen Durchbruch bedeutete, bildet er noch mit den Figuren, die sich in Buddhas verwandeln und Gedanken lesen können, eine gesellschaftliche Wirklichkeit nach dem Tag der Unabhängigkeit Indiens am 15. August 1947 ab, in der das Politische nur eine Nebenrolle spielt.

Anders bei dem Roman "Die satanischen Verse" von 1988, der auch außerhalb der erzählten Welt des Textes ernste politische Verwerfungen auslöste. In die Geschichte von zwei muslimischen Brüdern, die nach einem Terroranschlag auf ein Flugzeug aus dem Himmel stürzend in Großbritannien landen, ist eine historische Erzählung des Lebens Mohammeds eingebettet, der als fehlbar und kriegerisch dargestellt wird - in den Augen des damaligen iranischen geistlichen Führers Ajatollah Chomeini ein Skandal. Er setzte ein Kopfgeld aus, weshalb Rushdie viele Jahre untertauchen musste, in verschiedenen Städten von Köln bis New York lebte und Personenschutz bekam.

Seit einigen Jahren tritt Rushdie aber wieder öffentlich auf. Besonders im Zuge seines neuen Romans "Golden House" ist er bei Talkshows und Podiumsdiskussionen als politischer und gesellschaftlicher Kommentator in Erscheinung getreten, schon alleine, weil er in dem Buch einen amerikanischen Präsidenten namens Joker auftreten lässt, der kaum verschleiert auf Donald Trump anspielt.

Bereits der erste Satz des Romans, der diesen Artikel leider längenmäßig sprengen würde, versuchte man ihn hier zu zitieren, führt von der Amtseinführung des vorherigen Präsidenten und der Angst vor dessen möglicher Ermordung durch die Wirtschaftskrise ins alte Ägypten und zurück nach New York, wo in den Hochhauspalästen der Reichen und Mächtigen die dekadenten Herrscherdynastien vergangener Jahrtausende und ferner Länder überlebt zu haben scheinen. Der noch immer mit dem Fantastischen kokettierende und alles Wissbare zu durchdringen scheinende Stil Rushdies stellt aber hier nur nebenbei eine gegenwärtige Lebenswelt dar; er ist auch zynisch-besorgter Kommentar zu einem oft sehr mächtigen Menschenschlag, für den "sich Moral nach dem goldenen Standard" richtet, wie es Nero Golden, der indische Verbrecher, um den sich das Sittenbild dieses Romans anordnet, mehrdeutig formuliert. Dass es diese Gestalten meist hervorragend verstehen, sich medial zu inszenieren, kommt diesem Roman erfreulich entgegen, der auch ganz im Sinne des Mottos dieses Literaturfests zwischen Fiktionalem und Realem pendelt. Donald Trump lebt ja selbst in einem goldenen Haus, dem Trump Tower, einem Monster aus Glas, Marmor und Gold im Herzen Manhattans.

Salman Rushdie, Golden House. Lesung, 1. 12., 20 Uhr, LMU

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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