Zum Tode des Dichters SAID:Im doppelten Exil

Zum Tode des Dichters SAID: Als Pen-Präsident rettete er Leben: der iranisch-deutsche Lyriker SAID.

Als Pen-Präsident rettete er Leben: der iranisch-deutsche Lyriker SAID.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Dichter SAID war eine prägenden Stimme der deutschen Einwandererliteratur. Er kritisierte Iran, verherrlichte aber auch den Westen nicht. Jetzt ist er im Alter von 73 Jahren gestorben.

Von Stefan Weidner

SAID war ein großer Dichter, der immer alles kleinschrieb, außer seinen eigenen Namen. Darin lag weniger Überheblichkeit als der Wille zur Selbstbehauptung: "schreit euren namen / laut und deutlich — denn hier, / auf dem sklavenmarkt, / versteigert man den, / der schweigt." SAID gehörte zur ersten Generation der Autorinnen und Autoren, die als nichtdeutsche Muttersprachler mit ihren Texten auch in der deutschen Literaturszene Gehör fanden — ein langer, mühseliger Weg. Geboren 1947 in Teheran als Sohn eines Offiziers, wurde er 1965 zum Studium nach Deutschland geschickt: "dann verschlug mich das leben hierher, im alter von 17. wie ein kind, das schlafend fortgetragen wurde", wie er in einem autobiografischen Text schreibt.

In Deutschland erwachte er inmitten der Studentenbewegung, unerhörter Freiheiten und politischer Proteste, die sich ausgerechnet am Land seiner Herkunft entzündeten, Iran. Der Besuch des Schahs am 2. Juni 1967 bildete den Kristallisationspunkt der Studentenbewegung in Deutschland. Aus dem Studenten wurde ein politischer Dichter, der unermüdlich die Diktatur in seinem Land anprangerte, zunächst die des Schahs, dann die der Mullahs. Und zwar bald nicht mehr auf Persisch, sondern auf Deutsch: "in unserem dürren exil / wollte niemand meine persischen gedichte. / es waren nur kampflieder / angesagt in unserem kreis - /da nahm ich zuflucht / zur deutschen sprache; / die mich aufnahm / so gastlich sie konnte."

Als der Schah 1979 gestürzt war, ging SAID wieder nach Iran. Schneller als andere verstand er, dass dem Land nur eine weitere, nun religiöse Diktatur bevorstand, und kehrte bereits nach sechs Wochen zurück. Das Exil war damit endgültig. In einem Gedichtband zitiert SAID Jean Améry mit der Erkenntnis, "daß es keine Rückkehr gibt, weil niemals der Wiedereintritt in einen Raum auch ein Wiedergewinn der verlorenen Zeit ist".

Als Präsident des deutschen PEN-Clubs rettete er buchstäblich Leben

Mit Metaphern ging SAID sparsam um. Er liebte die persische Literatur, pflegte seine Muttersprache, las die alten Dichter ebenso wie die neuesten, mit denen er oft in Kontakt stand. Aber nie bediente er die geläufigen Klischees von der Blumigkeit der orientalischen Poesie. Sein Deutsch — hart, kühl, schneidend — war das Gegenteil der Sprachverliebtheit, welche die persische Lyrik teils heute noch prägt.

Sprachliche Nüchternheit, wenngleich auf verspieltere Weise, prägte auch seine Prosa und seine Essays, die in den vergangenen Jahren die Oberhand über die Lyrik gewannen. Dazu zählt der schöne Band mit "Geschichten über Bilder" ("Das Rot lächelt, das Blau schweigt") oder das Buch mit dem Rilkeschen Titel über "Das Tier, das es nicht gibt" - ein sprachliches Kaleidoskop, in dem die Klischees und Worthülsen der deutschen Gegenwart ad absurdum geführt werden.

Eine für viele Autoren lebensrettende Rolle spielte SAID als Präsidiumsmitglied und dann Präsident des Deutschen PEN-Clubs zwischen 1995 und 2002, als es Ende der Neunzigerjahre in Iran zu einer Reihe von Morden und Mordversuchen an Schriftstellern und Intellektuellen kam. Er wurde in jener Zeit zu einem gefährlichen Gegenspieler des Regimes und sah sich selbst von iranischen Agenten bedroht, hielt seine Adresse geheim. Sich mit ihm zu treffen, hatte lange Zeit eine konspirative Anmutung.

Er kritisierte Iran, verherrlichte aber auch den Westen nicht

Dass er mit dem iranischen Regime und dem politisierten Islam auf Kriegsfuß stand, machte ihn freilich nicht zu einem Verherrlicher Deutschlands oder des Westens: "wie oft höre ich diese phrase - meist mit einem unerträglich gönnerhaften pathos: 'im orient hat es keine aufklärung gegeben, darin liegt seine misere.' deutschland hat sehr früh die aufklärung für sich entdeckt - nicht zuletzt durch die schriften von immanuel kant - und ermordete dennoch 6 millionen menschen. [...] wer also behauptet, aufklärung münde zwangsläufig in toleranz, der unterstreicht lediglich seine blauäugigkeit."

Mit dieser Haltung konnte SAID nicht populär werden. Er bewahrte seinen Stolz und blieb im doppelten Exil eines Menschen, der das "blauäugige" Heimischwerden im neuen Land oder der neuen Sprache als Kapitulation begreift. "wo ich sterbe ist meine fremde" lautet der Titel eines seiner bekanntesten Gedichtbände. Am vergangenen Samstag ist SAID im Alter von 73 Jahren in München gestorben.

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