Süddeutsche Zeitung

Ruth Maria Kubitschek zum 90.:Raus aus dem Gröbsten

Lesezeit: 5 min

Die Schauspielerin Ruth Maria Kubitschek wird 90, und dank Helmut Dietl prägt sie noch immer das Bild, das die Welt von Münchens feinen Damen hat. Eine Gratulation.

Von Sofia Glasl

Er möge sich doch bitte ein bisschen lässiger hinsetzen und nicht so verkrampft dreinblicken. "Lächle ein bisschen, Franz. Nicht so viel, nur ein bisschen. Und schau' etwas normaler." Annette von Soettingen genießt es sichtlich, ihren Ehemann beim Modellsitzen zu dirigieren. Nicht immer hat sie es so leicht mit dem Monaco Franze wie jetzt, da er mit geschniegelten Haaren und neuer Lederjacke vor ihrer Staffelei sitzt. Er wendet sich vielsagend zur Kamera und erklärt, wie kultiviert seine Frau doch sei, und wie wenig er selbst sich für Theater, Kunst und Kultur interessiere. "Wie meinst, normal, Spatzl? Wie soll ich jetz' schau'n?", fragt er in ihre Richtung zurück. Er interessiere sich aber wahnsinnig für Frauen, zwinkert er wieder verschwörerisch in die Kamera. "Jetzt, Franz, jetzt hast Du genau den richtigen Ausdruck!", schwärmt sie. Sie hat ihren Hallodri natürlich vollends durchschaut.

Eben dieser gegenseitig durchdringende und doch verschmitzte Blick ist es, der den Monaco und sein Spatzl in Helmut Dietls Kult-Serie "Monaco Franze" (1983) zu einem solch hinreißenden Paar macht. Was wäre sein "Schau, wia I schau", mit dem er sie nach seinen nächtlichen Eskapaden immer wieder bezirzt, ohne ihre elegant-pikierten und doch stolzen Blicke. Miteinander haben sie es nicht leicht, ohne einander könnten sie aber auch nicht. Als er es einmal übertreibt und sie ihn verlässt, stürzen beide ab. Er wird zum Obdachlosen und fackelt im Suff die Wohnung seines besten Freundes Manni ab. Sie sitzt alleine in der Altersresidenz auf den Bermudas und langweilt sich zu Tode. "Da stehst Du in der Früh auf, und schon wieder scheint die Sonne. Das ist so deprimierend, ich kann's Dir gar nicht sagen."

Mit "Monaco Franze" wurde Ruth Maria Kubitschek vor bald 40 Jahren als ewiges Spatzl zum Münchner Kleinod

Der "Monaco Franze" machte Ruth Maria Kubitschek vor bald 40 Jahren als ewiges Spatzl zum Münchner Kleinod, und wenn auf eine Person der überstrapazierte Begriff der "Grande Dame" passt, dann auf sie. Sie feiert nun ihren 90. Geburtstag, der Ruf jedoch blieb bis heute haften. Er greift allerdings viel zu kurz für eine Frau, die sich zwar immer elegant und stilvoll präsentiert, dabei aber immer offen und herzlich bleibt - anders als die immer höflich distanzierte und manchmal auch hochnäsige von Soettingen.

Das mag daran liegen, dass Kubitschek aus einfachen Verhältnissen kommt - die Familie floh nach dem Zweien Weltkrieg aus Böhmen in die DDR, wagte einen Neustart als Neubauern. Die Mutter habe immer betont, sie seien freiwillig gegangen. Diese Selbstbestimmtheit war der Familie wichtig und scheint sich in Kubitscheks Weltsicht niedergeschlagen zu haben. In Interviews erzählt sie, dass sie schon mit 16 auf die Schauspielschule kam, das war kurz nach dem Krieg, sie habe nicht sonderlich viel Schulbildung abbekommen. "Ich war relativ blöd, muss man sagen, und habe dann alles durch Lesen nachgeholt." Dieses Anpacken des eigenen Glücks ist dann auch in ihre Rollen eingeflossen, ebenso der selbstironische Realismus: Als Franz seinem Spatzl vorlügt, er wolle den Ring des Nibelungen wirklich gerne verstehen, aber er habe ja keine Ahnung, kauft sie ihm ganz selbstverständlich einen Bücherstapel und Schallplatten zur Vorbereitung. Resigniert schaut der in die Kamera: "Sie lässt ja nicht locker, meine Frau, nicht ums Verrecken."

Sie spielte schon früh Frauen, die sich nicht mit ihren Rollen zufriedengeben und gegen gesellschaftliche Widerstände durchsetzen

Kubitschek galt als Marilyn Monroe der DDR, wo sie für die DEFA drehte, und sie spielte später im Westen an der Seite von Heinz Rühmann in einem seiner Pater-Brown-Krimis. Die zwar noch kleinen Rollen werfen ihr Licht schon voraus auf die späteren Figuren. Sie spielt schon damals Frauen, die sich nicht mit der ihnen zugeschriebenen Rolle zufriedengeben wollen und sich gegen gesellschaftliche Widerstände durchsetzen. 1966 wurde sie in der Durbridge-Verfilmung "Melissa" einem großen Fernsehpublikum als die titelgebende Ehefrau bekannt.

Die Flucht der Familie mag ein Grund dafür sein, dass sie auch später immer wieder einfach gegangen ist. 1958 etwa, als sie von einem Theaterengagement im Westen nicht in die DDR zurückkehrte und damit die eh schon zerbrochene Ehe mit dem Regisseur Götz Friedrich beendete. Auch München wurde ihr irgendwann zu viel, obwohl sie wusste, was sie der Stadt zu verdanken hat. Doch wer kann es ihr verübeln. Das überbordende Bussi-Bussi der Schickeria hatte in den Achtzigern neue Höhen erreicht und Kubitschek sich in ihrer zweiten von Dietl auf den Leib geschriebenen Rolle ein weiteres Denkmal gesetzt. Als Zeitungsverlegerin Friederike von Unruh dirigiert sie in "Kir Royal" (1987) den Klatschreporter Baby Schimmerlos wie zuvor schon den Monaco. Dietl lehnte ihre Rolle an die Münchner Verlegerin Anneliese Friedmann an, die als Herausgeberin der Abendzeitung und Gesellschafterin der Süddeutschen Zeitung lange Jahre die Medienlandschaft mitbestimmte. Als überhöhtes und satirisch zugespitztes Alter Ego der weitsichtigen Geschäftsfrau trägt die von Unruh ihr Adelsprädikat stolz vor sich her, um den einfachen Reporter Schimmerlos in Schach zu halten, wenn er wieder tobend in ihr Büro stürmt.

"Wenn ich jetzt nicht gehe, werde ich hochnäsig": Der schnelle Erfolg in München hatte sie kalt erwischt

Sie habe sie jeden Tag vor Drehbeginn bei einem Münchner Juwelier dicken Schmuck geliehen, um sich in diese Überheblichkeit einzufühlen. Damit habe sie dieser Figur die notwendige Autorität verleihen können, erzählt Kubitschek gerne - ohne Versicherung, auf Vertrauensbasis. Um den Juwelier zu einem solchen Deal zu bewegen, muss sie selbst auch eine gewisse Aufrichtigkeit ausgestrahlt haben. Vermutlich hat ihr Status als ewiges Spatzl geholfen, ihre geerdete Grandezza sehr sicher.

Der schnelle Erfolg in München hat sie wie eine Watschn kalt erwischt. Für Kubitschek stand nach "Kir Royal" fest: "Wenn ich jetzt nicht gehe, werde ich hochnäsig. Oder ich krieg n' Knall." 1991 verließ sie München, zog in einen kleinen Schweizer Ort an den Bodensee. Hier lebt sie noch heute, ist stolz auf ihren riesigen Garten. Hier malt sie, hat mehrere Romane und esoterisch angehauchte Ratgeber geschrieben. Mit ihrem langjährigen Lebensgefährten Wolfgang Rademann, dem Erfinder des "Traumschiffs", führte sie bis zu dessen Tod 2016 eine Fernbeziehung. Nach ihrem letzten Spielfilm "Frau Ella" (2013) gab sie dann 2018 gänzlich unprätentiös in einem Telefoninterview bekannt, sich nun aus der Öffentlichkeit zurückziehen zu wollen. Sie werde gerne alt und wolle nun in Ruhe leben. Vermutlich ist das auch wieder einer dieser Schritte, die ihr regelmäßig notwendig erscheinen: Bevor sie größenwahnsinnig zu werden droht, holt sie sich immer selbst auf den Boden der Tatsachen zurück.

Ein bisschen kann man sich das vermutlich vorstellen wie die tragikomische letzte Szene im "Monaco Franze": Das Spatzl ist von den Bermudas zurückgekehrt, um den obdachlosen Franz zu suchen. Im zigsten Stehausschank fällt dann von beiden die Last des Alleinseins ab. "Ja, Spatzl!", ruft er, sie lässt kurz die sonst so gefasste Fassade fallen und wirft sich ihm in die Arme. Angetrunken sitzen sie dann auf einer Bank im Münchner Hofgarten, schauen im Morgengrauen in die Welt hinaus, ohne genau zu wissen, was jetzt kommt. "Heute ist unser 20. Hochzeitstag", sagt Annette. "20 Jahre simmer schon verheiratet, Spatzl. Dann simmer ja aus dem Gröbsten raus."

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