Nach dem Messerangriff:Rushdie geht es offenbar etwas besser

Salman Rushdie 2017 in New York. Bislang hat der 24-jährige Angreifer noch nichts zu seinem Motiv gesagt.

Salman Rushdie musste nach dem Angriff operiert und an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden.

(Foto: Evan Agostini/AP)

Der bei einem Messerangriff verletzte Autor Salman Rushdie wird nicht mehr künstlich beatmet. Der mutmaßliche Täter plädiert auf unschuldig.

Nach dem Messerangriff auf Salman Rushdie scheint sich der Zustand des britisch-indischen Autors etwas gebessert zu haben. Berichten zufolge wird er nicht mehr künstlich beatmet. Am Samstag habe er bereits wieder sprechen können, berichtete die New York Times unter Berufung auf seinen Literaturagenten Andrew Wylie. Der Washington Post sagte Wylie am Sonntag: "Der Weg zur Genesung hat begonnen." Rushdies Verletzungen seien schwer, aber sein Gesundheitszustand entwickele sich in die richtige Richtung.

Rushdies Sohn bestätigte, dass es seinem Vater besser geht. "Trotz seiner schwerwiegenden und lebensverändernden Verletzungen bleibt sein üblicher kämpferischer und aufsässiger Sinn für Humor intakt", schrieb Zafar Rushdie am Sonntag auf Twitter.

Der 75 Jahre alte Rushdie war während einer Lesung in einem Institut in Chautauqua im Westen des US-Bundesstaates New York schwer verletzt worden und hatte mehrere Stichwunden unter anderem an Hals und Bauch erlitten. In einem Krankenhaus in Erie im angrenzenden Bundesstaat Pennsylvania wurde er operiert und an ein Beatmungsgerät angeschlossen.

Der 24 Jahre alte mutmaßliche Täter sitzt in Untersuchungshaft, derzeit besteht für ihn keine Möglichkeit zur Freilassung gegen Kaution. Gegen ihn wird der Polizei zufolge wegen versuchten Mordes zweiten Grades und Körperverletzung zweiten Grades ermittelt. Es handelt sich dabei um einen eigenständigen Tatbestand im US-Rechtssystem zum Tod eines Menschen. Er kann im Bundesstaat New York mit jahrelangen Haftstrafen belegt werden. Bei einem Gerichtstermin am Samstag plädierte der 24-Jährige auf nicht schuldig. Das sagte sein Pflichtverteidiger Nathaniel Barone.

Das Motiv für die Tat ist weiterhin unklar. Der Sender NBC New York berichtete unter Berufung auf Ermittlerkreise, der Tatverdächtige habe in sozialen Netzwerken im Internet mit den iranischen Revolutionsgarden und mit schiitischem Extremismus sympathisiert. Es seien aber bislang keine direkten Kontakte festgestellt worden. Er sei in Kalifornien geboren und erst kürzlich nach New Jersey umgezogen. Seine Eltern stammen nach libanesischen Behördenangaben von dort. Matars Haus in Fairview/New Jersey wurde von Ermittlern am Samstag durchsucht.

Vor Gericht erklärten die Staatsanwälte laut US-Medien, der Angriff auf den Autor sei vorsätzlich und gezielt gewesen. Matar sei mit einem Bus zu dem Institut im ländlichen Westen des Bundesstaates gefahren und habe sich dort ein Ticket gekauft, um am Freitagvormittag Rushdies Vortrag hören zu können. Der Autor hatte dort über verfolgte Künstler sprechen wollen und wenige Minuten vor dem Angriff die Bühne betreten.

US-Präsident Biden: Rushdie steht für "wesentliche, universelle Werte"

Prominente und Politiker aus aller Welt verurteilten den Messerangriff auf Rushdie und wünschten ihm eine schnelle Genesung. Zahlreiche Politiker verurteilten die Gewalttat gegen Rushdie und betonten die Bedeutung von Grundrechten und Meinungsfreiheit.

US-Präsident Joe Biden lobte, Rushdie habe sich nicht einschüchtern lassen und stehe für "wesentliche, universelle Werte" wie Wahrheit, Mut und Widerstandsfähigkeit. Der EU-Außenbeauftragt Josep Borrell schrieb bei Twitter: "Eine internationale Ablehnung solcher krimineller Handlungen, die Grundrechte und Freiheiten verletzen, ist der einzige Weg zu einer besseren und friedlicheren Welt." Der israelische Regierungschef Jair Lapid sah die Schuld an dem Angriff auch bei der Führung des Irans. Der Vorfall sei "das Resultat von Jahrzehnten der Aufwiegelung, angeführt durch das extremistische Regime in Teheran", schrieb Lapid am Samstagabend bei Twitter.

Von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hieß es: "Wer diesen Mordanschlag nun auch noch rechtfertigt, verbreitet nichts anderes als Hass und Extremismus. Wer an ein friedliches Zusammenleben glaubt, muss sich dem klar und konsequent entgegenstellen." Kanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb bei Twitter: "Was für eine abscheuliche Tat!". Er wünschte dem Autor viel Kraft für die Genesung. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte in der Bild am Sonntag, für die Bluttat trügen auch die Verantwortung, die Rushdie seit Jahrzehnten verfolgt und mit dem Tod bedroht hätten.

Das deutsche PEN-Zentrum in Darmstadt verurteilte den Anschlag auf den Schriftsteller ebenfalls scharf. "Wir sind zutiefst schockiert über den Angriff", teilte am Samstag Generalsekretärin Claudia Guderian mit. Der Schriftsteller lebe "für die Freiheit des Wortes" seit nunmehr 30 Jahren unter Todesbedrohung. "Einen solchen Anschlag auf sein Leben hat es bislang nicht gegeben." Als Zeichen der Solidarität mit "diesem mutigen Kämpfer für die Freiheit des Wortes" werde Rushdie Ehrenmitglied von PEN Deutschland.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth sprach von einem "Angriff auf die Freiheit der Literatur, Freiheit des Denkens". Dabei sei aber klar: Es klebe Blut an den Händen, nicht nur des Attentäters, "sondern auch und ganz besonders an denen des iranischen Regimes, das bis heute an der schrecklichen Fatwa gegen ihn festhält".

Iranische Zeitung feiert den Attentäter

Rushdie wird seit Jahrzehnten von religiösen Fanatikern verfolgt. Wegen seines Werks "Die satanischen Verse" aus dem Jahr 1988 hatte der damalige iranische Revolutionsführer Ajatollah Chomeini zur Tötung des Autors aufgefordert. Er warf Rushdie vor, in seinem Roman den Islam, den Propheten und den Koran beleidigt zu haben.

In dem Buch kommt unter anderem eine Figur vor, die dem Propheten Mohammed ähnelt. Die Kritik lautet, dass Rushdie den göttlichen Ursprung des Koran in Frage stellte. Auf das Todesurteil folgten damals eine dramatische Flucht Rushdies und jahrelanges Verstecken. Seit mehr als 20 Jahren lebt er nun in New York.

Die britische Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling wurde nach dem Angriff auf Rushdie online bedroht. Rowling hatte am Freitag auf Twitter ihr Entsetzen über die Gewalttat ausgedrückt und über Rushdie geschrieben: "Ich hoffe, er ist okay." Daraufhin antwortete ein anderer Nutzer: "Keine Sorge, du bist die nächste." (original: "Don't worry you are next").

Die ultrakonservative iranische Tageszeitung Kayhan feierte den Attentäter am Sonntag auf ihrer Website als "überzeugten Muslim", der "einen Platz in der Ruhmeshalle der Tapferen verdient" habe. Rushdie sei ein Feigling und Abtrünniger, für den allein der Tod als Strafe infrage komme.

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