"Rückkehr nach Montauk" im Kino:"Kein Mensch verändert sich"

Volker Schlöndorff zieht in "Rückkehr nach Montauk" selbstkritisch Bilanz über sein Verhältnis zu Frauen. Geholfen hat ihm dabei ausgerechnet Til Schweiger.

Interview von Paul Katzenberger

In "Rückkehr nach Montauk" führt Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff Literatur und eigene Lebenserfahrungen zusammen. Stellan Skarsgård spielt den Schriftsteller Max Zorn, der sowohl ein Alter Ego von Max Frisch ist, als auch von Schlöndorff selbst. Während einer Buchpräsentation in New York schwelgt er in Erinnerungen an seine frühere Geliebte Rebecca (Nina Hoss), die dort lebt und mit der er eineinhalb Jahrzehnte lang keinen Kontakt mehr hatte. Er sucht Rebecca auf, doch sie reagiert zunächst kühl, um dann doch gemeinsam mit ihm in ihr ehemaliges Liebesnest Montauk auf Long Island zu fahren. Doch dafür muss Max seine Frau Clara (Susanne Wolff) versetzen, die mit ihm in New York ist. Schlöndorff, mittlerweile 78 Jahre alt, sinnt in "Rückkehr nach Montauk" dem eigenen Versagen in Liebesdingen nach. Zu den Produzenten des Films zählt neben dem WDR auch Til Schweiger.

SZ: Herr Schlöndorff, die Hauptfigur Ihres neuen Films, Max Zorn, hat nach Ihrer eigenen Aussage autobiografische Züge. Trifft das auch auf die negativen Charaktereigenschaften dieser Figur zu, seine Untreue, seine Unreife?

Volker Schlöndorff: Als ich Stellan spielen sah, ist mir erst klar geworden, wie lächerlich ich mich oft im Leben verhalten habe. Dabei dachte ich manchmal, als ich das Drehbuch schrieb: 'Ach, was für ein herrlicher Mensch das ist.' Als der dann auf der Leinwand fertig war, habe ich mich aber gefragt: 'In welcher Welt lebt der eigentlich?'

Ich würde sagen: in einer sehr selbstbezogenen.

Er ist ein Tor. Er ist sich nicht bewusst, dass man zwischen Träumen und Leben unterscheiden muss. Das ist für Schriftsteller schwer zu verstehen - und vielleicht auch für Filmemacher - weil wir es gewohnt sind, das Leben wie ein Drehbuch zu betrachten. Man könnte eine Beziehung so schreiben, man könnte aber auch eine andere Fassung versuchen. Mit realen Menschen kann man aber keine Versuchsanordnung aufbauen. Die Fassung, die man lebt, ist die endgültige.

Muss das in mangelnder Loyalität, in der Unfähigkeit zur Treue münden?

Untreu sind wir alle, auf die ein oder andere Weise. Wir meinen immer, es sei wichtiger, uns selbst gegenüber treu zu bleiben, als den anderen gegenüber. Aber vielleicht ist es genau umgekehrt.

Die zwei Frauen, die Sie im Film zeigen, sind ja so. Die sind Max sehr treu verbunden und dadurch werden sie von ihm verletzt.

Sie machen sich dadurch verletzbar. Und er lässt nichts an sich herankommen. Nicht in dem Sinne, dass er in einem materalistischen Sinne egoistisch ist, sondern in seinen Gefühlen. Er nimmt die Gefühle der Frauen gar nicht wahr, die er angeblich liebt. Er liebt sich selbst in den Frauen. In einer Szene des Films sagt er, dass er nie jemanden verletzen wollte. Gerade durch diese Haltung verletzt man andere aber sehr.

Und in dieser Haltung wird im Film Volker Schlöndorff selbst sichtbar?

Wenn Sie diese Frage Frau von Trotta (Mit der Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin Margarethe von Trotta war Schlöndorff von 1971 bis 1991 verheiratet, Anm. d. Red.) oder anderen stellen, werden Sie wahrscheinlich die richtige Antwort bekommen.

In Ihren Protagonisten ist aber auch Max Frisch eingeflossen.

Ja, insofern, dass er immer wieder versucht, mit sich selbst kritisch umzugehen. Aber immer erst nachher, nicht im Augenblick des Handelns. Er begeht eine furchtbare Tat, gefühlsmäßig gesprochen, ohne große Skrupel und ohne nachzudenken. Doch danach reut es ihn. Max Frisch stellt immer wieder die Frage, wie man richtig leben, und wie man das verfehlte Leben korrigieren kann.

War Max Frisch bei der Beantwortung dieser Frage ähnlich inkonsequent wie der Max Zorn des Films?

Ich denke schon. In Bezug auf seine gescheiterte Beziehung mit Ingeborg Bachmann sagte Max Frisch: 'Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht.' In Wirklichkeit war es aber allein er, der das Ende nicht gut bestanden hat. Doch die Schuld teilt er dann.

Sie haben mit vielen Schriftstellern zusammengearbeitet - mit Günter Grass, Heinrich Böll, Arthur Miller. Sind Schriftsteller aus Ihrer Sicht oft Egomanen?

Aus jeder dieser Arbeiten ist auch eine Freundschaft entstanden, weil ich diese Männer bewundert habe, und die haben sich das vielleicht gerne gefallen lassen. Alle hatten diese Wesenszüge gemein. Insofern hat es mich gereizt, zu sagen: 'Jetzt habe ich so viel Literatur verfilmt, jetzt verfilme ich mal einen Schriftsteller.'

"Im Alter erlaubt einem das Leben nicht mehr, weiter die gleichen Fehler zu machen"

Volker Schlöndorff bei der Premiere von "Rückkehr nach Montauk" auf der Berlinale im Februar 2017.

"Jetzt habe ich so viel Literatur verfilmt, jetzt verfilme ich mal einen Schriftsteller." Volker Schlöndorff bei der Premiere von "Rückkehr nach Montauk" auf der Berlinale im Februar 2017.

(Foto: dpa)

Eine Problematik, die der Film auch aufgreift, besteht in der Frage, ob man sich als Mensch überhaupt verändern kann.

Kein Mensch verändert sich. Alle, die ich kenne, sind immer gleich geblieben, obwohl sie sich sehr bemüht haben, andere zu sein. Aber die Wahrnehmung verändert sich - wie man sich selbst wahrnimmt.

Die Figur der Rebecca scheint im Film tatsächlich dazugelernt zu haben, während das bei Max nicht der Fall ist. Lassen sich Männer weniger durchs Leben belehren?

Sein Verhalten ist immer wieder bedingt durch seine Hormone - das ist das Männliche an ihm. Er träumt nach der ersten Nacht schon wieder von einer zweiten, dritten und von einer gemeinsamen Zukunft mit ihr - obwohl doch in New York seine Frau sitzt. Als ob er eine gespaltene Persönlichkeit wäre: Mit seiner Frau verhält er sich lustig und kumpelhaft und ist ein ganz anderer Typ als mit Rebecca, mit der ist er ein Schmachtfetzen und himmelt sie an. Bei seiner Publizistin Lindsey (Isi Laborde, Anm. d. Red.) verhält er sich wie ein Schuljunge, und sie wäscht ihm ja auch den Kopf. Sie ist die einzige, die ihm die Wahrheit sagt: 'Dir sollte man die Eier abschneiden.'

Der Film bleibt am Schluss offen, und der Zuschauer könnte denken: 'Vielleicht hat Max doch ein bisschen was gelernt'.

Er gewinnt Einsichten. Das ist klar. Im Leben gibt es einen Zugewinn an Erkenntnissen. Ob diese Erkenntnisse auch zu einem anderen Verhalten führen, das bleibt für mich dahingestellt. Ich glaube: Trotz der Erkenntnisse macht man wieder die gleichen Fehler, wenn es einem denn erlaubt wird. Aber dann kommt eben das Alter dazu - und auf einmal erlaubt einem das Leben nicht mehr, weiter die gleichen Fehler zu machen.

Als bekannt wurde, dass Til Schweiger zu den Produzenten Ihres Films zählt, wurden Sie dafür kritisiert. Der sei Ihrer nicht würdig, Sie sollten sich schämen, hieß es. Wie stehen Sie zu diesen Vorwürfen?

Ich habe überhaupt keine Berührungsangst mit einem Kollegen, der ein wunderbarer Filmemacher ist. Manche sagen mir ja auch, ich hätte mit "Rückkehr nach Montauk" eine Soap-Opera gemacht. Das war mir auch nicht bewusst.

Sie stoßen auf neues Terrain vor - die leichte Muse?

Wo diese Beobachtung herkommt, weiß ich nicht. Ich bin mal vom Regieverband, bei dem ich eine Art Ehrenvorsitzender bin, gebeten worden, eine Laudatio auf Til Schweiger zu halten. Da habe ich gesagt: 'Selbstverständlich'. Ich kenne zufälligerweise seine Filme, weil meine Tochter, die jetzt 25 ist, vor zehn Jahren ein großer Til-Schweiger-Fan war, und ich damals mit ins Kino gehen musste. Ich weiß daher, was das einem Publikum - in dem Fall 15- und 16-Jährigen - bedeutet. Er macht das nie kalkuliert oder zynisch, wenn er diese Filme dreht, sondern auf seine Art ehrlich.

Als er Ihnen Geld für Ihren Film anbot, waren Sie also gleich mit dabei?

Ich habe keine Sekunde gezögert. Das waren eher die Kollegen vom Fernsehen, die mit ihm - glaube ich - im Clinch lagen wegen einer "Tatort"-Geschichte, die ich überhaupt nicht verfolgt habe: 'Ja, das geht doch nicht, das ist dem Projekt nicht angemessen.' Da habe ich gesagt: 'Na, dann müsst Ihr mir ein bisschen mehr Geld geben.' Die hatten mir nur halb so viel Geld gegeben wie er.

Trotzdem mussten Sie bei der Produktion noch tricksen, um über die Runden zu kommen. Die Aufnahmen vom Lincoln-Center haben Sie zum Beispiel von der anderen Straßenseite gemacht, denn wenn Sie direkt auf dem Lincoln Center Plaza gedreht hätten, hätte das gleich wieder 20 000 Dollar gekostet. Liegt Ihnen diese Arbeitsweise einer vergleichsweise kleinen Produktion?

Ja, sehr. Ich habe viele aufwendigere Filme gemacht, und da hat man immer das Gefühl, dass man vom eigenen Apparat aufgefressen wird. Je kleiner das Team ist, desto näher ist man an den Schauspielern, desto mehr erlebt man alles hautnah. Außerdem leben solche Produktionen mehr vom Zufall, was ich auch als Vorteil betrachte.

Warum?

Wenn wir einen Taxifahrer anhalten, dann weiß der gar nicht, dass wir drehen. Da steigen wir einfach ein, die Kamera mit, dann fahren wir los. Das bringt in ein vorgefertigtes Drehbuch mit gut geprobten Szenen den Schuss Spontanität, den es braucht, um zu leben. Wir hatten bei der Kalkulation erst 32 Drehtage, dann 28. Aber ich habe von Anfang gesagt: 'Ich sag' Euch was, ich werd' das in 25 Tagen drehen - so viel wie ein "Tatort".' Und genau in 25 Tagen haben wir das gedreht. Wenn man so viele Filme gemacht hat wie ich, dann kennt man eine Anzahl von Tricks, wie man einen Film in ein bestimmtes Budget hineinbekommt.

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