Rückgabeforderung:Beutekunst mal anders

Das kommunistische Kuba hat bedeutende private Kunstsammlungen enteignet. Jetzt verlangen die Erben die Schätze zurück.

Von Catrin Lorch

Hat Kuba einer Holocaust-Überlebenden die Kunstsammlung gestohlen? Eine US-Stiftung leitet derzeit rechtliche Schritte gegen den kubanischen Staat ein, berichtet das Magazin Artnewspaper . Es geht um die Kunstsammlung von Olga Lengyel, der Werke von Picasso, Degas, Goya, Van Gogh und Memling gehörten. Die im Jahr 1908 in Siebenbürgen als Tochter eines Industriellen geborene Frau hatte - als einziges Mitglied ihrer Familie - das Lager Auschwitz überlebt.

Olga Lengyel hatte ihren Mann, einen Arzt jüdischer Herkunft, in das Konzentrationslager begleitet, wo er, ihre Eltern und ihre beiden Kinder umkamen. Nach dem Krieg lebte Olga Lengyel in Paris, wo ihr Vater, der Industrielle Ferdinand Bernat-Bernard die Kunstsammlung der Familie verwahrt hatte. Sie schrieb dort ihre Memoiren "Erinnerungen aus dem Jenseits". Es heißt, das Werk sei Vorlage für den Roman und den Film "Sophie's Choice" gewesen.

Später zog Olga Lengyel nach New York, wo sie die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm. Im Jahr 1954 ließ sie sich in Kuba nieder - und nahm, wie Frachtbriefe und Fotografien belegen, ihre Sammlung, zu der auch wertvolle Antiquitäten gehörten, mit, um ihr Apartment in Havanna auszustatten. Nachdem Fidel Castro die Macht übernommen hatte, floh Lengyel im Jahr 1959 nach New York und klagte ihre Sammlung ein, die von Behörden in Havanna als "aufgegeben" klassifiziert und verstaatlicht worden war. Wie auch alle anderen Klagen auf Herausgabe von Eigentum ignorierte Kuba Olga Lengyels Ansprüche.

Olga Lengyel besaß wertvolle Gemälde von Degas, Goya, van Dyck und Memling

Olga Lengyel, die im Jahr 2001 starb, hinterließ ihr Erbe, zu dem auch ein Haus in Manhattan gehört, der von ihr gegründeten Memorial Library, einer Stiftung, deren Aufgabe es ist, die Erinnerung an den Holocaust zu vermitteln. Diese Stiftung hat nun rechtliche Schritte eingeleitet, um die Gemälde zurückzufordern. Dass Barack Obama Kuba von der Liste der Staaten, die Terrorismus unterstützen, gestrichen hat, ist zwar eine Aufwertung des Regimes, allerdings bedeutet es nicht, dass der Besitz von US-Bürgern dort nicht eingeklagt werden könnte.

Der Fall ist der bedeutendste einer Reihe von Eigentumsklagen amerikanischer Bürger gegen den Staat Kuba und könnte die kulturellen Beziehungen zwischen den Ländern nachhaltig belasten. Vor einiger Zeit haben die Staaten überhaupt erst Gespräche über solche Fälle aufgenommen. Im Artnewspaper heißt es, dass der Gesamtwert der Verluste um die sieben Milliarden Dollar beträgt.

Die Werke von Olga Lengyel sind seit ihrer Flucht vor mehr als fünfzig Jahren nicht wieder aufgetaucht. Das ausführliche Inventar, das Olga Lengyel nach ihrer Flucht aus Kuba angelegt hatte, listet unter anderem Werke wie eine "Tänzerin" und eine "Gebückte Tänzerin" von Degas, ein Porträt von van Dyck, "Drei Adlige" von Goya und einen "Engel in einer Landschaft" von Hans Memling. Artnewspaper schätzt, dass Olga Lengyels Sammlung inzwischen viele Hundert Millionen Dollar wert sein könnte.

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