Süddeutsche Zeitung

Rotterdamer Kunstraub:Die Asche seiner Mutter

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Der Prozess um den Kunstraub von Rotterdam hat nach mehrmaliger Verzögerung begonnen. Nun könnte alles rasch vorangehen, denn die Verdächtigen sind geständig. Wäre da nicht die Mutter eines mutmaßlichen Täters. Die hatte erst eingeräumt, die geraubten Bilder verbrannt zu haben, und behauptet nun das Gegenteil.

Von Renate Meinhof

Alle vier sitzen sie da, die Angeklagten, hinter einem Holzgeländer im Saal des Gerichtes des 3. Bukarester Bezirkes, einem Gründerzeitbau, der bessere Tage gesehen hat. Radu Dogaru, der mutmaßliche Anführer der Gruppe, trägt einen Fitnessanzug mit dem Schriftzug "Boss" auf Brust- und Rückenseite. Was er an diesem Dienstag zu Protokoll geben wird, klingt abenteuerlich. Er sitzt getrennt von seiner Mutter Olga. Olga, die sieben Gemälde verbrannt haben soll. Aber hat sie das wirklich getan?

Am Dienstag hat tatsächlich der Prozess um den Kunstraub von Rotterdam begonnen. Zweimal schon war er, kurz nach Eröffnung, vertagt worden, weil die Verteidigung Verfahrensfehler bemängelt hatte. Die Verteidigung war es auch, die immer neue Theorien über den angeblichen Aufenthaltsort der Gemälde verbreitet hatte.

Aber es war doch ein Geständnis unter Tränen, als Olga Dogaru Ende Februar den Ermittlern genauestens beschrieb, wie sie alle sieben Bilder in ihrem Badeofen im ostrumänischen Lipowanerdorf Carcaliu verbrannt hatte. Wie sie die Glasscheiben, die die beiden Monetbilder schützten, zerbrochen und die Scherben dann in die Klogrube im Hof geworfen hat. Auf das "Leben meines Sohnes" hatte sie geschworen, dass dies alles die Wahrheit sei.

Nun ist es so eine Sache mit dem Schwören und mit der Wahrheit und auch mit der Mutterliebe in dieser Geschichte, die die Kunstwelt und Ermittler in ganz Europa seit einem Jahr beschäftigt. In der Nacht zum 16. Oktober hatten Olga Dogarus Sohn Radu und Adrian Procop - er ist flüchtig - sieben Werke, Pastelle und Ölbilder, aus der Rotterdamer Kunsthalle gestohlen: Gemälde von Henri Matisse, Paul Gauguin, Claude Monet, Jacob Meijer de Haan, Lucian Freud und Pablo Picasso. Werke, die zur Triton Collection gehörten. Ihr Wert liegt im hohen zweistelligen Millionenbereich.

Sohn Radu und sein Kumpel Adrian brauchten in dieser nieseligen Oktobernacht keine drei Minuten und lediglich einen Schraubenzieher, um in die kaum gesicherte Kunsthalle hinein- und wieder aus ihr herauszukommen.

Catalin Dancu, der Anwalt der Dogarus, gab denn auch am Dienstag wegen der laschen Sicherheitsvorkehrungen dem Museum die Mitschuld an dem Verbrechen.

Seit dem 19. Januar sitzen Radu Dogaru und zwei Mittäter, Eugen Darie und Mihai Alexandru Bitu, in Bukarest in Haft. Sie alle kommen aus derselben armen Gegend in der Dobrudscha, im Osten Rumäniens, und kennen sich seit Jugendtagen. Und sie alle sind, was den bloßen Diebstahl betrifft, geständig, weshalb der Prozess auch ein schnelles Ende finden könnte.

Olga Dogarus Geständnis hingegen, sie habe ihren Sohn Radu schützen wollen und deshalb alle sieben Bilder verbrannt, hat sie im August wieder zurückgezogen: Nein, sie habe überhaupt nichts verbrannt.

Seitdem gibt es viele und wilde Geschichten rund um die Gemälde. In der Republik Moldau sollen sie angeblich versteckt sein, in Belgien, in Frankreich. Die Asche aus Dogarus Badeofen im Dorf Carcaliu an der Donau jedenfalls spricht für sich. Sie ist in zwei rumänischen Laboren untersucht worden. Die Expertisen kamen zu demselben Ergebnis: Die Asche aus Dogarus Ofen enthält Pigmente und Leinwandreste, die von Ölgemälden aus dem 19. Jahrhundert stammen. Auch kleine handgeschmiedete Nägel aus dieser Zeit wurden gefunden.

Radu Dogaru hat nun vor Gericht behauptet, die Reste aus der Asche, die Nägel stammten von Ikonen aus dem 19. Jahrhundert, wie sie in seinem Heimatdorf Carcaliu nicht selten seien. Fünf der gestohlenen Bilder habe er, Radu, vielmehr einem Russen übergeben. Zu den übrigen zwei Gemälden könne er nichts sagen.

Radu Dogarus Aussagen klingen wirr, passen aber zur Taktik seines Anwaltes, Catalin Dancu, der auch Olga Dogaru vertritt. Er hat von Anfang an die Expertise der Chemiker in Zweifel gezogen und angekündigt, er wolle beantragen, dass die Asche im Ausland noch einmal untersucht werde. Dancu sagt gegenüber der SZ: "Die Behörden haben meinen Antrag auf einen Gegengutachten in einem holländischen Labor nicht beantwortet, um sich nicht vor der ganzen Welt lächerlich zu machen. Sie fürchten nämlich den Beweis, dass in der Asche gar keine Reste verbrannter Gemälde zu finden sind."

Das sehr logisch klingende Argument der Bukarester Chemiker gegen Catalin Dancus Behauptung klingt so: Ein noch besser ausgerüstetes Labor mit noch besseren Mikroskopen werde gerade nicht weniger, sondern mehr und noch andere Restteilchen der verbrannten Bilder entdecken.

Von der ermittelnden Staatsanwaltschaft ist zu Dancus Vorwurf, sein Antrag sei nicht beantwortet worden, keine Stellungnahme zu bekommen.

Und es gibt auch keinen formal gestellten Antrag, den Prozess gegen die Kunsträuber nach Holland zu verlegen, wie es immer wieder von den Anwälten der Presse gegenüber angekündigt worden war. Die Zusammenarbeit zwischen den holländischen und den rumänischen Beamten sei "toll", heißt es in Kreisen der rumänischen Ermittler. Es gebe gemeinsame Verhöre, oft auch Konferenzschaltungen am Telefon, vieles laufe "über den kurzen Dienstweg". Deshalb habe es für die Holländer zu keinem Zeitpunkt Grund gegeben, die Auslieferung der Rumänen zu beantragen.

Die Auslieferung der Angeklagten nach Holland aber ist noch immer das Ziel der Verteidigung. Während das rumänische Strafgesetzbuch bei "Diebstahl von Kunstgegenständen mit besonders gravierenden Folgen" Strafen zwischen zehn und 20 Jahren vorsieht, gibt es in Holland sehr viel mildere Strafen.

Das Ermittlungsverfahren gegen die Diebe von Rotterdam wurde vom Verfahren gegen Olga Dogaru, die Mutter und mutmaßliche Zerstörerin der Bilder, übrigens getrennt. Im Januar soll die Anklageschrift im Fall Olga Dogaru fertig sein.

Fragt man Catalin Dancu, warum Olga denn im Februar überhaupt geständig war, sagt er: "Da hatte sie ja mich noch nicht als Anwalt."

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Quelle:
SZ vom 23.10.2013
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