Rosa von Praunheim zum 80.:"Ich suche jemanden, der mir eine Million gibt"

Rosa von Praunheim zum 80.: Der Regisseur Rosa von Praunheim in seiner Ausstellung "nackte Männer - nackte Tiere".

Der Regisseur Rosa von Praunheim in seiner Ausstellung "nackte Männer - nackte Tiere".

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Rosa von Praunheim, Regisseur, Künstler und Ikone der Schwulenbewegung, wird 80 Jahre alt. Eine Verneigung zum Geburtstag.

Von Josef Grübl

Wer wissen will, wie man ohne Blockaden durchs Leben geht, kommt an Rosa von Praunheim nicht vorbei. Dieser Mann ist ständig am Arbeiten, er hat mehr als hundert Filme gedreht, noch mehr Bilder gemalt, Bücher geschrieben, am Theater inszeniert und nebenbei das heterosexuelle Establishment schockiert. So einer wie er kann sich keine Schreib- oder Kreativblockaden leisten, so einer hat ständig Ideen - und seien es welche zur Ideenfindung. Er beschäftige einen jungen Mann, der ihm täglich von elf bis 15 Uhr beim Kreativsein zugucke, behauptet der Berliner Filmemacher, Autor und Schwulenaktivist bei einem Telefonat kurz vor seinem 80. Geburtstag. Denn auch er habe nicht immer Lust auf Arbeit: "Manchmal möchte ich lieber Mohrrüben schälen oder mit dem Fahrrad in den Tiergarten fahren." Wenn aber jemand bei ihm herumsitze und bezahlt werde, müsse er etwas tun. "Das wäre sonst schade."

Kleiner Tipp also für alle, die unter Schreibblockade leiden: Engagiert Zuschauer und lasst euch beim Arbeiten betrachten. Dafür sollte man allerdings mindestens so zentrovertiert sein wie Rosa von Praunheim, der gerne viel über sich preisgibt. Er tritt auch regelmäßig in seinen Werken auf, selbst wenn es gar nicht um ihn geht. So wie etwa in seinem jüngsten Kinofilm "Rex Gildo - Der letzte Tanz", der die angebliche Homosexualität des Sängers thematisiert. Da erzählt der als Holger Mischwitzky im Frankfurter Stadtteil Praunheim aufgewachsene Filmemacher zwischendurch Anekdoten aus seinem eigenen Leben und stellt Parallelen zwischen sich und dem Schlagerstar fest. Er wolle sich eben stets mit einbeziehen, sagt er: "Ich finde das eine sehr ehrliche Sache." Im Gildo-Film lässt er auch drei alternde Fangirls auftreten, die sich um das Rex-Vermächtnis sorgen. Sie skandieren: "Rosa von Praunheim, Sie sind eine alte Sau!"

Der Bayerische Rundfunk weigerte sich, seinen Film zu zeigen - und machte ihn so berühmt

Als alte Sau sieht ihn womöglich auch jener Teil der Republik, der seine Filme nicht kennt: In den wilden Anfangsjahren des Privatfernsehens outet er Prominente wie Hape Kerkeling und Alfred Biolek als homosexuell (was ihm mehr schadete als den Betroffenen), zu Filmpartys oder Empfängen geht er in rosa Kleidern, mit Penissen oder Kuheutern auf dem Kopf. "Auffallen ist sehr wichtig als Künstler", sagt er. Und er fällt früh auf, schon Ende der Sechzigerjahre, da studiert er noch Malerei an der Hochschule der Künste Berlin. Auf erste Kurz- und Experimentalfilme folgen 1971 die Spielfilme "Die Bettwurst" und "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt". Er bringt damit die Camp-Ästhetik nach Deutschland, die Filme sind provokant, parodistisch und bewusst dilettantisch. Zu jener Zeit entfalten sie enorme Schlagkraft: Bei der Ausstrahlung des "Homosexuellen" in der ARD schaltet sich der Bayerische Rundfunk aus, danach ist Rosa von Praunheim bundesweit bekannt.

Rosa von Praunheim zum 80.: "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" war Praunheims Durchbruch.

"Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" war Praunheims Durchbruch.

(Foto: WDR/Pro-Fun Media)

Er gilt als Ikone der deutschen Schwulenbewegung, seine Filme lösen in den Siebzigern die Gründung von zahlreichen Homosexuelleninitiativen aus. Sie werden weltweit zu Festivals eingeladen und im Museum of Modern Art gezeigt. In New York lernt er die US-Underground-Filmbewegung kennen, dort dreht er in den kommenden Jahrzehnten immer wieder, unter anderem den 1979 mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichneten Dokumentarfilm "Tally Brown, New York" (über den gleichnamigen Warhol-Superstar) oder die 1990 entstandene "AIDS-Trilogie". Exzentrische ältere Damen wie Lotti Huber oder Evelyn Künneke werden zu seinen Musen, Freundinnen, Hauptdarstellerinnen. Sein Blick ist liebevoll, seinen Gegenübern nähert er sich mit großer Neugierde. Er macht Filme über Zuhälter, Pornostars oder schwule Nazis, er interessiert sich dabei vor allem für deren eigene Widersprüche.

Und dann gibt es noch den anderen Praunheim, der Sympathien für die "Letzte Generation" hegt ("Wenn die überleben wollen, müssen sie uns ja in den Arsch treten") und der als Professor für Regie in Babelsberg Filmemacher wie Tom Tykwer, Chris Kraus, Axel Ranisch oder Julia von Heinz an den Beruf herangeführt hat. Er veröffentlicht Gedichte und Tagebücher, in diesem Jahr ist sein erster Roman erschienen. Seinen 50 Jahre alten Film "Die Bettwurst" hat er gerade als Musical auf die Bühne gebracht, in München und Berlin zeigen Galerien seine Gemälde. Scheint also fast so, als ob er auch im neunten Lebensjahrzehnt blockadefrei durchs Leben gehen könne. Ideen gebe es viele, sagt er: "Ich suche jemanden, der mir eine Million gibt, damit ich zehn neue Filme machen kann." An diesem Freitag wird der rastlose Rosa von Praunheim achtzig Jahre alt.

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