Es hat ja doch immer noch eine ganz eigene Magie, wenn Vergangenes wieder direkt im Jetzt auftaucht. Man höre deshalb an diesem Tag, nach dem Tod von Sängerin Ronnie Spector, noch mal "Be My Baby" den größten Hit ihrer Band The Ronettes, 1963 veröffentlicht. Man umarme das Schlagzeug-Intro, dieses schwer hingetupfte "Boom - boom, boom, tschak", und die so meisterlich drumherum gebaute Produktion, die den Chören und dem Text die Zuckerwattensüße austreibt. Irres Spannungsfeld. Song für die Ewigkeit. Nicht einmal der "Dirty Dancing"-Soundtrack konnte ihn wirklich verwüsten. Und dann wechsle man zu "Back To Black" von Amy Winehouse, dieser pechschwarzen Sehnsuchtshymne der Liebeskranken und Säufer, und erlebe, wie alles, wofür die Ronettes standen, das (für die damalige Zeit) Übergroße, Verschwenderische, Opulente, dazu Spectors Ruf als "bad girl of rock and roll" und ja, auch die Frisuren (Beehive!) und Röcke, dort wieder auftaucht. Epischer Widerhall nach Jahrzehnten.
So viel nur zur Zeitlosigkeit von Kunst. Von großer zumindest.
Für Winehouse hatte Mark Ronson die Musik produziert und sanft aktualisiert. Für die Ronettes war es damals der Frauenschläger, spätere Mörder aber eben auch umfassend geniale Klang-Maniker und Wall-of-Sound-Urvater Phil Spector. Der Produzent war für die Band künstlerisches Großglück. Nahm die verträumten, samtigen Chöre, stellte die gefährliche, leicht verschattete Stimme Spectors ins Zentrum, stapelte seine immensen Klangräume drüber, eingespielt von der damals mit besten Studio-Band der Welt, der Wrecking Crew, und auch deshalb in der Kombination mit dem Gesang für immer gültig.
Leider heiratete sie ihren Produzenten dann noch
"Baby, I Love You", "Walking In The Rain", das gigantisch mehrdimensionale "Is This What I Get For Loving You", das karamellschmelzige "So Young". Süße, traurige Jugendfantasien, das schon. Aber dunkel koloriert. Und unnachahmlich direkt. Spector sei "die Stimme von Millionen Teenagerträumen, meine eingeschlossen", schrieb die Sängerin Diane Warren ins digitale Kondolenzbuch. "Ich habe ihre Stimme so sehr geliebt", twitterte Brian Wilson von den Beach Boys.
Leider heiratete Spector, die 1943 als Veronica Yvette Bennett in New York geboren worden war, der Name lässt es erahnen, ihren Produzenten 1968, ein Jahr nach Auflösung der Ronettes. Die Ehe hielt wenige, schreckliche Jahre. Der Wahnsinn, die Gewalt, den Missbrauch dieser Zeit verarbeitete sie 1990 in ihrem Buch mit dem ganz famosen Titel "Be My Baby: How I Survived Mascara, Miniskirts, and Madness, or My Life as a Fabulous Ronette". Bis heute eine der besten Rock-Autobiografien. Viele Hochs darin - und noch ein paar mehr Tiefs. Künstlerisch zumindest wurde es, wie man das so sagt, etwas ruhiger um Spector. Es gab ein paar tolle Kollaborationen, unter anderem mit den Misfits oder mit Bruce Springsteen, und ein paar Ronettes-Revivals. 2007 wurde sie dann, endlich, in die Rock & Roll Hall of Fame aufgenommen. Vorbild für so viele, die da noch kamen.
Im Jahr 2011, nach dem Tod von Amy Winehouse, coverte Spector noch "Back To Black". Die Einnahmen gingen an ein Zentrum für Suchtbehandlung. Große, wundervolle Pop-Schleife noch mal. Ganz große, ganz wundervolle Stimme. Am 12. Januar ist sie verstummt.